Spiegelung in einer Seifenblase

AP/Laurent Cipriani

Geschäftsmodell Wissenschaftsfeindlichkeit

Wenn Fakten nicht mehr durchdringen

In Österreich herrscht eine hohe Wissenschaftsskepsis und eine traditionelle Nähe zur Alternativmedizin. Das machen sich auch alternative Medienkanäle zunutze. Wissenschaftsfeindliche Erzählungen gehören für sie zum Geschäftsmodell. Oft ist die Grenze zur Verschwörungstheorie sehr dünn. Mithilfe von Onlinemedien schaffen sich Menschen eigene Parallelwelten, in denen wissenschaftliche Fakten keinen Platz haben.

"Wenn man den Argumenten der Klimaschutz-Extremisten Glauben schenkt, ist CO2 schädlich für das Klima", heißt es in einer Anmoderation des oberösterreichischen Senders RTV. In einem anderen Beitrag wird unwidersprochen ein Video der impfkritischen Partei MFG eingespielt, die Masern als ungefährlich darstellt. Wissenschaftsskeptische Erzählungen gehören zur DNA des Senders. Damit ist er nicht allein. Denn wissenschaftliche Fakten anzweifeln – das tun alle der sogenannten Alternativmedien.

Wissenschaft im Anti-Eliten-Diskurs gefangen

Medien wie report24, AUF1, Info-direkt oder eben RTV. Und sie alle tummeln sich am rechten Rand. Warum ist gerade dort die Wissenschafts-Skepsis so verbreitet? Das hat einerseits ideologische Gründe. Wissenschaft sei eben kein Element, das Gewicht hat, erklärt die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt. Außerdem gebe es einen Anti-Eliten-Diskurs. "Und das spielt sehr schön in die Dichotomie der einfachen Menschen und der abgehobenen Eliten, die Wissenschaft“, sagt Felt.

Diesen Diskurs auszureizen ist für viele alternative Medien Teil des Geschäftsmodells. Sie treffen dabei auf ein breites Publikum. Denn Wissenschafts-Skepsis ist nicht nur am rechten Rand zu finden. Österreich ist im EU-Vergleich ganz generell sehr wissenschaftsskeptisch. Das zeigen immer wieder die Eurobarometer-Umfragen.

"Manche Menschen erreicht man nicht mehr"

Das heißt aber nicht, dass die Menschen kein Interesse an Wissenschaft haben. "Wissenschaft gehört immer zu den Themen, die recht stark vom Publikum nachgefragt werden", weiß die ORF-Wissenschaftsjournalistin Elke Ziegler. Vor allem online hat es die Wissenschaft aber schwer, mit ihren Themen durchzudringen. Denn in manchen Gesellschaftsgruppen funktionieren vor allem stark emotional aufgeladene Themen sehr gut. "Hier mit nüchterner Wissenschaftsinformation zu konkurrieren, ist wahnsinnig schwierig", sagt Ziegler. Manche Menschen könne man "mit Wissenschaftsinformation auch nicht mehr erreichen".

Man spricht hier von etwa zehn Prozent der Bevölkerung, einem harten Kern, der Wissenschaft nicht nur skeptisch gegenübersteht, sondern sie grundsätzlich ablehnt. Diese zehn Prozent sind aber weitaus heterogener, als man vielleicht annimmt. Wissenschaftsfeindlichkeit könne zum Beispiel ein gemeinsames Merkmal bestimmter sozialer Gruppen sein, sagt die Wissenschaftsforscherin Felt. Es gibt aber auch andere Indikatoren: "Dazu gehören auch Menschen, die so etwas wie eine tiefe, persönliche Enttäuschung der Erwartungen an Wissenschaft gehabt haben."

Skepsis trifft Institutionen, nicht Forschung

Gerade im Gesundheitsbereich wenden sich die Menschen dann von der klassischen Schulmedizin ab und suchen in der Alternativmedizin nach Lösungen. Science Buster und Molekularbiologe Martin Moder hat es sich zur Aufgabe gemacht, über diese alternativen Therapien aufzuklären, die vor allem in Österreich weit verbreitet sind. "Außerhalb des deutschsprachigen Raums interessiert sich im Prinzip kein Mensch für Homöopathie. Das ist ein ziemlicher österreichischer USP", also ein Alleinstellungsmerkmal, weiß Moder.

Dazu kommt, dass in keinem anderen Land der EU Biotechnologie so stark abgelehnt wird wie in Österreich. Dabei ist die Skepsis an sich noch gar nicht das Problem. "Natürlich ist Skepsis gut. Nirgendwo ist man wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber skeptischer als innerhalb der Wissenschaft", sagt der Molekularbiologe. Problematisch werde es aber, wenn sich die Skepsis mit Verschwörungsmythen vermengt. "Die Menschen sind nicht skeptisch gegenüber der Krebsforschung per se. Die Menschen sind skeptisch gegenüber der AGES oder gegenüber der Weltgesundheitsorganisation. Das sind die, die als Feinde betrachtet werden." Von diesen Institutionen wird dann behauptet, sie seien korrumpiert und steckten unter einem Hut mit Pharmafirmen und Politik.

"Wissenschaft und Politik vermischen war nicht gut"

Während der Corona-Pandemie ist dieses Misstrauen gegenüber Politik und Wissenschaft besonders deutlich geworden. Für Ulrike Felt von der Universität Wien tragen die Protagonisten daran eine Mitschuld: "Die Vermischung von Wissenschaft und Politik, die während der Coronakrise stattgefunden hat, war für beide Seiten nicht gut." Auch Martin Moder sieht es kritisch, dass in Pressekonferenzen Politiker und Forschende gemeinsam vor die Mikrofone getreten sind: "Das bringt natürlich die Gefahr mit sich, dass Leute Politik und Wissenschaft als einen zusammenhängenden Komplex wahrnehmen. Man riskiert, dass eine wissenschaftliche Fachaussage dann irgendwann auch nur mehr als politische Meinung interpretiert wird."

Der lange Schatten der Corona-Pandemie

Moder hat sich während der Pandemie auch dazu entschieden, Einladungen bestimmter Medien kategorisch abzulehnen. Vor allem die Diskussionsrunden in Servus TV waren für ihn ein No-Go. Das lag vor allem an den Panels. "Da wird der Vollständigkeit halber jemand aus der Wissenschaft reingesetzt. Aber trotzdem sitzen da Leute wie ein Sucharit Bhakdi, der dann sagen kann, die Masken vergiften die Kinder. Und das ist natürlich das, was hängen bleibt", meint Moder. Das Framing sei nämlich immer das selbe gewesen: Hört nicht auf das, was die korrupten Forschenden sagen.

Dieser Erzählung bedienen sich in Österreich immer mehr Medien, vor allem online. Die Echokammern, die so entstehen, werden dabei immer dichter. "Sie sind so reichhaltig und divers geworden, dass man glauben könnte, man befinde sich in einem vielfältigen Informationsfeld", weiß Wissenschaftsforscherin Felt.

(K)ein Platz für Pseudowissenschaften

In bestimmten Echokammern lebt nicht nur die Demokratie- und Wissenschaftsskepsis hoch. Nah damit verwandt ist auch ein starker Glaube an Pseudowissenschaften wie Astrologie. Mit der Astro-Show "Blick in die Sterne" hat man im ORF versucht, diese auch im Programm abzubilden. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. In einem Offenen Brief des Instituts für Astrophysik an ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz hieß es: "Der Astrologie im ORF Platz zu geben, legitimiert eine Pseudowissenschaft, insbesondere wenn dies noch mit falschen Zitaten echter Wissenschaftler*innen geschieht - im aktuellen Fall ein grob falsches Zitat von Albert Einstein, der sicher kein Unterstützer der Astrologie war."

Groiss-Horowitz stellte daraufhin klar, die Astro Show sei eine Unterhaltungssendung und erhebe keinerlei wissenschaftlichen Anspruch. Und weiter: "Wir sind uns unseres öffentlich-rechtlichen Auftrags bewusst und gerade der ORF trägt in Österreich regelmäßig mit Sendungen wie 'Mayrs Magazin', 'ZiB Wissen' und zahlreichen Radio- und Online-Angeboten wesentlich zur Wissen(schafts)vermittlung bei."

Ob sich zukünftig sowohl Wissenschaft als auch Pseudowissenschaft im Programm ausgehen, steht, wie es von ORF-Seite heißt, in den Sternen. Für Elke Ziegler, die im ORF die Aktuelle Wissenschaft für Radio und Online leitet, muss man jedenfalls zwei Dinge unterscheiden: "In einer pluralistischen Gesellschaft hat ganz Vieles seinen Platz. Die Frage ist aber, ob es auch Teil der Berichterstattung sein muss."

Skepsis befeuern - oder Unsicherheit abbauen

Ziegler hat weiterhin die Hoffnung, dass man allen voran mit wissenschaftlichen Fakten eine Gesprächsbasis finden kann. Sie lehnt es daher ab, wenn bestimmte Wörter als Kampfbegriffe verwendet werden. "Bezeichnungen wie Impfgegner oder Schwurbler sind schrecklich", sagt sie. Das Wichtigste sei es nämlich zu vermeiden, dass die Polarisierung in der Gesellschaft weiter zunimmt und sich wissenschaftsfreundliche und wissenschaftsskeptische Gruppen noch stärker voneinander entfernen. Oft steckt gerade am Anfang einer Situation einfach viel Unsicherheit hinter einer wissenschaftsskeptischen Haltung. Medien stehen dann am Scheideweg: Sie können diese Skepsis befeuern oder mit wissenschaftlichen Fakten versuchen, die Unsicherheit abbauen.