AP/AN MING
RADIOKOLLEG
Anfang und Ende
über Geburt und Sterben.
29. November 2024, 11:49
Sendungen
MO | 23. DEZ 2024 | 9:05 Uhr
Die Geburt, ein Prozess (1)
DI | 24. DEZ. 2024 | 9:05 Uhr
Die Geburt, ein Prozess (2)
Wir alle werden geboren, und wir sterben wieder. Trotzdem wird im Alltag wenig darüber gesprochen; weder über den Anfang noch über das Ende des Lebens. Was Geburt und Sterben von allen anderen Lebensereignissen am deutlichsten unterscheidet: Es gibt keine unmittelbaren Erfahrungsberichte. Niemand kann erzählen, wie es tatsächlich war, als er oder sie geboren wurde. Das vermeintlich „freudige Ereignis“ ist mit vielen Fragen verbunden, mit Angst davor, dass etwas schiefgeht, und nicht zuletzt mit Schmerzen. Die Geburt ist nicht nur für das Kind, das das Licht der Welt erblickt, ein eindrückliches Erlebnis, sondern auch für die Mutter ein körperlicher und emotionaler Kraftakt.
Niemand kann sich an den Sterbeprozess erinnern und die Erfahrung mit anderen teilen. Doch es gibt Menschen, die sich bewusst auf ihr Sterben vorbereiten, und solche, die andere in der Vorbereitung auf ihre letzten Atemzüge begleiten: Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Ärztinnen und Ärzte, die sich darum bemühen, die körperlichen Schmerzen zu lindern, Seelsorger und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen in Hospizen oder in mobilen Palliativteams, die zuhören und manchmal einfach da sind, um Wache zu halten und Angehörige zu entlasten.
Der Anteil der Menschen, die zu Hause versterben, liegt laut Statistik Austria bei knapp über 25 Prozent und ist seit 2000 annähernd gleichgeblieben. Der Großteil der Sterbevorgänge findet in einem Krankenhaus oder in einer institutionellen Einrichtung (z. B. in einem Pflegeheim) statt. Das Personal in einem palliativen Setting hat durch die ständige Beschäftigung mit den so unterschiedlichen Bedürfnissen kranker bzw. sterbender Menschen einen großen Erfahrungsschatz. Palliative Versorgung bedeutet nicht,- salopp gesagt - „jemanden sterben zu lassen“, sondern die Person in dieser Krisensituation optimal zu betreuen.
Bei Geburten sind es 98 Prozent der Frauen, die in Österreich im Krankenhaus gebären. Dass der Geburtsvorgang medizinisch - und vor allem von männlichen Ärzten - in Krankenhäusern begleitet wird, hat sich erst im 20. Jahrhundert etabliert. Davor lag Geburtshilfe traditionell in Frauenhand, auch wenn Kirche und Medizin sukzessive ihren Einfluss geltend machten, der sich dann auch auf die Praxis stark auswirkte.
Die Kraft der Geburt zeigt sich auch in unserer Sprache mit den Worten „mit einer Idee schwanger gehen“ - ein gebräuchlicher Ausdruck, der kreative Prozesse und ihre Phasen der Entstehung beschreibt: die körperliche Anstrengung, die Emotionen, die Zeit, die es im Hintergrund braucht, bis ein Mensch oder - im Fall der kreativen Geburt - das Resultat tatsächlich sichtbar und da ist, und das Eigenleben, das ein kreatives Werk oder Projekt schließlich entwickelt.
Weder die natürliche Geburt noch der Sterbeprozess können genau kontrolliert werden. Wir wissen weder, wann es beginnt, noch wissen wir, wie lang es dauern wird, bis der Prozess tatsächlich abgeschlossen ist - und das ist oft sowohl für Betroffene als auch für das Umfeld eine große Herausforderung, sind wir doch gewohnt, unseren Alltag genau zu planen.
Eine Generalprobe gibt es weder für den Sterbeprozess noch für die Geburt. Auch wenn eine Frau schon mehrere Kinder geboren hat, ist es doch jedes Mal anders und unvorhersehbar. Aber man kann sich darauf vorbereiten, um sich in der Situation möglichst angstfrei und losgelöst auf den Prozess einzulassen - damit neues Leben möglichst selbstbestimmt entstehen kann und das vergangene ein würdevolles Ende findet.
Gestaltung
- Margit Atzler