LUKAS BECK
Ö1 Klima-Newsletter
Alles wird gut?
Wenn unsere Kinder aufgelöst sind und weinen, dann flüstern wir ihnen gern ins Ohr: "Alles wird gut!" Eine Floskel, über die man sich meist in demselben Atemzug ärgert, denn was soll "alles" denn sein? Ja, die Zähne werden irgendwann aufhören zu schieben und die Muskeln im Bein werden auch irgendwann wieder heil sein, aber sonst? Wird wirklich alles gut?
31. Jänner 2025, 14:49
Der Ö1 Klima-Newsletter
Mit dem Ö1 Klima-Newsletter wollen wir Ihnen wöchentlich die wichtigsten Neuigkeiten kurz zusammengefasst jeweils freitags in Ihr Postfach liefern.
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Wenn wir auf die Erderwärmung blicken, dann wird nicht alles gut. Das vergangene Jahr war das wärmste seit Beginn der Aufzeichnung. Erstmals hat die globale Erwärmung die 1,5-Grad-Schwelle deutlich überschritten. Natürlich gibt es Schwankungen im Klimasystem, und es werden noch Jahre kommen, in denen die Erwärmung unter der 1,5-Grad-Marke liegt, aber das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf diesem Niveau einzudämmen, liegt derzeit in weiter Ferne. Und das ist auch der Kern des Problems: der Zeithorizont. Wir spüren die Folgen der Erderwärmung nicht unmittelbar, sondern mit Verzögerung, was unseren Willen zum Handeln massiv schwächt.
Ö1 Dossier
Die Klimakrise ist ein Generationenkonflikt. Zukünftige Generationen sind von den Folgen der anhaltend steigenden CO2-Emissionen stärker betroffen. Gleichzeitig haben sie kein politisches Mitspracherecht. Ihre Interessen haben am politischen Verhandlungstisch kein Gewicht. Um die Klimakrise zu lösen, braucht es aber ein Denken, das über die eigene Generation hinausgeht. Ein schwieriges Unterfangen. Es fällt uns ja schon schwer, Ziele anzugehen, die nur wenige Jahre entfernt liegen, etwa die Klimaneutralität 2040. Denn 2040 klingt nach weit entfernter Zukunft. Zudem handelt es sich bei der Klimakrise um ein globales Problem, das durch Nationalstaaten gelöst werden muss. Auch das erschwert das Unterfangen. Die vergangenen Klimakonferenzen haben gezeigt, dass die internationale Zusammenarbeit in ihren Grundfesten zwar robust, aber auch anfällig für Infiltrationen ist. Die fossile Lobby ist mittlerweile fixer Bestandteil und Bremsklotz der Konferenzen. Und um das moralische Dilemma weiter zu verschärfen, steht im Zentrum der Klimakrise ein Verteilungskonflikt. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für fast die Hälfte der Emissionen verantwortlich. Und der CO2-Fußabdruck des obersten Prozents der Einkommenspyramide ist sogar 175-mal so groß wie der einer durchschnittlichen Person in den untersten zehn Prozent.
Die Klimakrise ist komplex, und man ist stark verleitet, entweder den Kopf in den Sand zu stecken oder in Alarmismus zu verfallen. Jede Woche landen neue Ergebnisse der Klimaforschung auf unseren Schreibtischen. Meist sind es Erkenntnisse über den Zustand des Planeten, die beklemmend sind. Dazwischen verbergen sich aber auch positive Nachrichten. Da liest man von Recycling-Beton, der CO2 bindet, oder von Ökosystemen, die sich erholen, wenn sie unter Schutz gestellt werden. Über mutmachende Projekte informieren wir im monatlichen Ö1 Klima-Newsletter ebenso wie über alarmierende Entwicklungen, die wir ebenfalls nicht aus dem Blick verlieren dürfen.
Die Herausforderung in Zeiten der Klimakrise ist es, den Kopf weiterhin interessiert nach oben zu strecken, das Klimageschehen wahrzunehmen und nicht zu verharmlosen, aber auch die vielen kleinen Schritte und Erfolge anzuerkennen, die im Klima- und Artenschutz passieren, und vor allem die vielen engagierten Menschen zu sehen, die sich im Großen und im Kleinen für unseren Planeten einsetzen. Resignation und Hoffnungslosigkeit bringen uns nicht weiter. Deshalb bleiben wir dabei: „Alles wird gut!“ Denn oft geht es gar nicht darum, Dinge unmittelbar zu lösen, sondern vielmehr darum, sie im Moment gemeinsam auszuhalten und in ihrer Tragweite anzuerkennen.
Ihr Franz Zeller und ihre Juliane Nagiller