![PICTUREDESK.COM/BRANDSTAETTER IMAGES/AUSTRIAN ARCHIVES Zeitungslesende Menschen, 1948](/i/intro/ea/27/ea27019623fc2db9daa7091dec5d05bc408f1c8b.jpg)
PICTUREDESK.COM/BRANDSTAETTER IMAGES/AUSTRIAN ARCHIVES
Warum öffentlich-rechtliche Medien wichtig sind
Die Antithese zur Propaganda
Medien sind in einer Demokratie dazu da, um Mächtige zu kontrollieren und objektive Informationen zu liefern, damit eine fundierte Meinungsbildung möglich ist. Aus diesem Verständnis sind nach dem Zweiten Weltkrieg öffentlich-rechtliche Medien entstanden, eine Lehre aus der Propaganda-Schlacht des Nazi-Regimes. Diese Medien sollten der Öffentlichkeit verantwortlich sein und keiner Regierung, nur so können sie die wichtige Rolle als "Public Watchdog" wahrnehmen.
13. Februar 2025, 19:09
Als Antithese zur Propaganda-Maschinerie der Nazis - Stichwort Volksempfänger und Verbot des Hörens sogenannter Feindsender - sind nach dem Zweiten Weltkrieg öffentlich-rechtliche Medien entstanden, weiß der Kommunikationswissenschafter Josef Trappel von der Universität Salzburg. "Die Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg, was Radio gemacht hat mit den Menschen und wie Radio Stimmung erzeugt hat, hat dann die Befürchtung genährt, dass ein Medium, das noch viel wirkungsstärker ist, nämlich Fernsehen, noch viel dramatischere Folgen haben kann."
Und man habe politisch die Entscheidung getroffen, dass Medien eben nicht vom Staat kontrolliert werden sollen, dass elektronische Medien nicht nur der privaten Initiative überlassen werden, sondern dass es öffentliche Medien sein sollen. Trappel: "Die sollten eben unter öffentlicher Kontrolle stehen und unter Kontrolle der Menschen selber und nicht der gewählten Regierung oder der durch irgendeine andere Form an die Macht gekommenen Regierung."
![PICTUREDESK.COM/ANDREAS TISCHLER ORF Zentrum Küniglberg](/i/paragraph/6c/b6/6cb63030ec7c5098be7a7982e06ada075bfb4846.jpg)
PICTUREDESK.COM/ANDREAS TISCHLER
Vermitteln und Minderheiten Sprache geben
Der ORF als öffentlich-rechtliches Medium hat auf der Grundlage des ORF-Gesetzes viele verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Öffentlich-rechtliche Medien haben objektiv und unparteilich zu berichten und unterschiedliche Sichtweisen einer Bevölkerung zu repräsentieren: "Zu vermitteln zwischen verschiedenen Positionen, denen auch eine Sprache zu geben, all das sind Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Medien", so Trappel. Dazu kämen etwa Minderheitenanliegen, mit dem Anliegen, hohe Qualität herzustellen für ein Jugendprogramm, ein Kinderprogramm. "Das Vorbild war immer die BBC, die seit 1920er Jahren versucht hat, diesem Ideal nachzuleben."
Selbst die gute alte BBC ist heute unter Druck und steht unter einem Spardiktat. Dafür sprießen überall die Propaganda-Kanäle und Verschwörungs-Plattformen, Social Media macht es praktisch unbegrenzt möglich. Herbert Kickl hat das für die FPÖ früh erkannt und die eigenen Kanäle immer schon auch dazu verwendet, um den ORF zum Feindbild aufzubauen. Wird kritisch über die FPÖ berichtet, dann werden Journalistinnen und Journalisten verunglimpft, dem Sender wird Parteilichkeit vorgeworfen.
Angriffe gegen unabhängige Medien wirken
Diese Angriffe - die auch anderen unabhängigen und kritischen Medien im Land gelten - seien dazu angetan, Menschen zu verunsichern, sagt Josef Trappel: "Diese Rufbeschädigung, die hat schon eine Wirkung, ich glaube nur nicht, dass sie eine unmittelbare Wirkung hat, aber längerfristig kann das schon dazu führen, dass Menschen den Eindruck gewinnen: Aha, hier ist etwas nicht so, wie es früher einmal gewesen ist, auch wenn sich das nicht wirklich objektiv verändert hat."
Die FPÖ macht keinen Hehl daraus, Ungarns Premier Viktor Orbán als Vorbild zu sehen, auch in der Medienpolitik. Könnte die FPÖ, wie sie wollte, dann würde das im Kern wie in Ungarn auf eine Zerstörung des kritischen Journalismus hinauslaufen, der durch Propaganda im Sinne der Partei ersetzt wird. Trappel dazu: "Was uns bevorsteht, wenn der ORF nach einer Regierungslinie zu handeln hat, ist undemokratisch und ist für einen Rechtsstaat oder für eine Demokratie eigentlich unwürdig."
FPÖ will freundlich berichtende Medien stärken
Die FPÖ möchte den ORF kleiner machen - Mediensprecher Christian Hafenecker forderte nicht von ungefähr sofortige Einsparungen von fünfzehn Prozent. Medien, die freundlich über die Partei berichten, sollen gestärkt werden. Gleichzeitig hat die FPÖ vor, das eigene Medienhaus aufzurüsten und noch heuer einen österreichweiten Radiosender zu starten. Das wird zwar schwer umzusetzen sein, weil das Privatradiogesetz es Parteien verbietet, Radioprogramme über UKW oder DAB+ zu senden.
Doch solche Vorhaben bestätigen laut dem Medienexperten Josef Trappel die Denkweise der FPÖ – aus ihrer Perspektive seien Medien dazu da, die Partei zu unterstützen: "Und wenn die Unterstützung durch ein eigenes Medienhaus erfolgt, wo man keine kritischen Fragen beantworten muss, wo man nicht damit rechnen muss, dass es investigativen Journalismus gibt. Dann passt das zur Medienstrategie der FPÖ."
Journalismus muss unangenehm sein
Journalismus funktioniert aber anders: Die Themen der Berichterstattung werden nach sogenannten Nachrichtenfaktoren gesetzt, in der Berichterstattung selbst lässt man alle Seiten zu Wort kommen - auch jene, die eine Gegenposition vertreten. Auch in der Interviewführung unterscheidet sich kritischer Journalismus eklatant von parteinaher Berichterstattung: "Dann würden die parteigesteuerten Medien Fragen stellen, die für die politisch Verantwortlichen angenehm sind, wo sie auch Antworten geben können, dass das vielleicht vorher auch abgesprochen ist", so Trappel. Im kritischen Journalismus würden Interviews von Personen geführt werden, die sich gut vorbereiten. "Die versuchen, Fragen zu stellen, die unangenehm sind, damit schon die Politikerinnen und Politiker sich auch rechtfertigen müssen, dass sie auch erklären müssen, warum sie so handeln und nicht anders."
Öffentlich-Rechtliche und Nachrichten-Kompetenz
Konsumieren Menschen öffentlich-rechtliche Medien, dann steigert das auch ihre Nachrichten-Kompetenz. Diesen Zusammenhang hat die Kommunikationswissenschafterin Kimberly Callecod-Weinrich in einer Studie untersucht und belegen können. Ziel dieser Studie war es, die Nachrichten-Kompetenz von Konsumenten und Nicht-Konsumenten öffentlich-rechtlicher TV-Information zu bewerten. Bei der Nachrichten-Kompetenz handelt es sich um ein Bündel von Wissen, Fähigkeiten und Motivationen, die zum Nachrichtenkonsum führen.
In ihrer Studie hat Callecod-Weinrich die Nachrichten-Kompetenz von 492 erwachsenen Nachrichten-Konsumenten ausgewertet. Um die Nachrichten-Kompetenz zu messen, wird zum einen Medienwissen abgefragt. Zum anderen wird die Motivation und die Einstellung zu Nachrichten erhoben. Das Ergebnis der Studie: es gibt eine Korrelation zwischen Nachrichten-Kompetenz und dem regelmäßigen Konsum von Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bei jeder Dimension, die gemessen wurde, schneidet die Gruppe, die öffentlich-rechtlichen Rundfunk konsumiert, besser ab.
"Signifikant höherer need for cognition"
Außerdem sind Menschen mit einer hohen Nachrichten-Kompetenz motivierter, Nachrichten zu konsumieren, so die Autorin. "Die haben einen statistisch signifikant höheren 'need for cognition' - das heißt übersetzt etwa: Engagement und Freude bei Denkaufgaben. Und bei allen diesen Parametern haben die Seher von Fernsehnachrichten in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten besser abgeschnitten."
Callecod-Weinrich merkt zu den Studienergebnissen an, dass es sich hier um eine Korrelation, also eine Beziehung, und nicht um eine Kausalität, also eine Ursache handelt. Es ist wie mit der Henne und dem Ei – man weiß nicht, was zuerst da war: "Die Menschen, die eine höhere Nachrichtenkompetenz ausweisen, schätzen das Angebot, das ORF, ZDF, ARD haben, und deswegen schauen sie dort ihre Nachrichten an. Oder es kann sein, dass genau diejenigen, die ihre Nachrichten dort bekommen, mehr über die Welt lernen."
Eine Theorie, warum Menschen, die öffentlich-rechtliche Medien konsumieren, mehr Nachrichten-Kompetenz aufweisen: Dort werden einfach mehr Hard News, also ernste, wichtige, professionell recherchierte Inhalte gesendet. Kimberly Callecod-Weinrich: "Die Nachrichtensendungen nehmen insgesamt einen größeren Anteil des Gesamtprogramms ein, nach Minuten gerechnet. Diese Nachrichtensendungen sind auch oft über den ganzen Tag verteilt und öfter zur Hauptsendezeit. Das heißt, Menschen haben mehr Möglichkeiten, mit Nachrichten in Kontakt zu kommen."
Gute Demokratie braucht starken Journalismus
Wer auch immer die künftige Medienpolitik im Land wie prägen wird - für Medienwissenschafter Josef Trappel steht eines fest: "Ich denke, dass eine weitere Schwächung der Qualitätsmedien in Österreich dazu führen würde, dass die ohnehin schon hoch konzentrierte Medienlandschaft weiter an Gewicht verliert, dass die öffentliche Kontrolle der Regierung abnimmt." Was dazu führen werde, dass die Menschen verunsichert sind und auch bei ihren Wahlentscheidungen entsprechend größere Probleme haben werden, sich zu orientieren.
Das sei insgesamt keine gute Entwicklung für eine gesunde Demokratie, warnt Trappel. Denn gute Demokratie brauche starken Journalismus. "Und wenn man an dieser Säule rüttelt, dann rüttelt man auch an der Demokratie-Qualität."