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ATV entschuldigt sich für frauenverachtendes Reality-TV
"Geschäft mit der Liebe" geschlossen
Das ATV-Reality-Format "Das Geschäft mit der Liebe" ist fünfzehn Jahre gelaufen und hat frauenverachtende Inhalte ausgespielt, Kritik daran wurde nicht gehört. Erst eine öffentliche Intervention des neuen Medienministers hat den Sender und die KommAustria reagieren lassen. Die Sendung bleibt ausgesetzt, ATV will neue ethische Standards für alle seine Reality-TV-Formate ausarbeiten.
4. April 2025, 09:15
Mit Folge fünf der elften Staffel war dann Schluss mit dem "Geschäft mit der Liebe". ATV-Chef Thomas Gruber in einer Erklärung: "Wir nehmen die Kritik ernst und möchten uns ausdrücklich dafür entschuldigen, mit einer Reihe zu Recht kritisierter Szenen die Grenzen des ethisch Vertretbaren überschritten zu haben. Aus diesem Anlass werden wir unsere internen Richtlinien und Prozesse entsprechend verbessern."
Fünfzehn Jahre gelaufen, und dann kam Klenk
Der Anfang vom Ende des sogenannten Reality-TV Formats, das der Privatsender - der zum ProSieben-Sat1-Puls4 Konzern gehört - fünfzehn Jahre unbehelligt ausstrahlen konnte. Bis Falter-Chefredakteur Florian Klenk einen Ausschnitt auf Instagram gesehen hat. Klenk schildert es so: "Tatsächlich ist die Sendung bei mir in den letzten Jahren völlig vorbeigegangen. Ich habe sie eigentlich erst über Instagram entdeckt. ATV hat hier Werbe-Reels geschaltet und die sind in meine Timeline geraten und ich bin darüber einigermaßen erstaunt gewesen."
Klenk hat seine Empörung öffentlich gemacht, das Posting vom neuen Medienminister und ein Offener Brief der Frauensprecherinnen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen taten ein Übriges. ATV hat alle Folgen der aktuellen Staffeln vom Netz genommen, weitere werden nicht ausgestrahlt, es wird - wie es heißt - evaluiert. Und das betrifft auch die anderen oft grenzwertigen Reality-Formate, wenn man den Ankündigungen von ATV glauben will.
Frauenkritik schon ein Jahr nach dem Start
Die Journalistin Brigitte Theissl - sie arbeitet für die feministische Zeitschrift "an.schläge" und den "Standard" - hat schon früh hingeschaut. 2011 - ein Jahr nach dem Sendungsstart - hat sie einen Blogeintrag zu den boomenden Reality-Formaten geschrieben. Theissl: "Über die Jahre ist das Format noch mal schlimmer geworden, finde ich. Es hat sich zugespitzt. Am Anfang war es vergleichsweise noch ein bisschen harmloser, aber es war schon immer diese Erzählung: Da fahren jetzt die Österreicher in den Osten, wo die Frauen noch nicht so emanzipiert sind, wo man noch ganz einfach eine Frau kriegt. Und das wollte ich thematisieren, aber es gab nicht sehr viel Öffentlichkeit dafür."
Dass das jetzt so aufgegangen ist, hat Theissl überrascht - aber positiv. "Schön, wenn es mal Aufmerksamkeit dafür gibt. Besser spät als nie." Es hätten über die Jahre auch Frauenpolitikerinnen immer wieder Kritik an solchen Formaten formuliert, über Sexismus in den Medien. "Dass das jetzt so ein großes Ding geworden ist, hat halt offensichtlich schon damit zu tun, dass die prominenten Männer sich da eingemischt haben." Ein altes Muster. Männer würden im öffentlichen Diskurs eher gehört als Frauen, sagt Brigitte Theissl. Ihre frühe Kritik ist auch bei der Medienbehörde auf taube Ohren gestoßen - die ist erst jetzt aktiv geworden und hat von Amts wegen eine Prüfung eingeleitet.
Medienbehörde überwacht und kann strafen
Die KommAustria ist für die Einhaltung des Audiovisuellen Mediendienste-Gesetzes zuständig, da geht es um Jugendschutz und im Paragraf 30 heißt es auch: "Audiovisuelle Mediendienste müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten." Verstöße können mit Geldstrafen geahndet werden - bis hin zum zeitweiligen Entzug der Sendelizenz.
Für Florian Klenk verletzt das ATV-Format klar die Menschenwürde: "Was wir hier sehen, hat ja nichts mit Reality-TV zu tun, sondern es ist eine Ausbeutung von Menschen zum Nutzen von Privatsendern. Es ist ein Geschäft mit der sexuellen Belästigung. Es ist ein Geschäft mit der Herabwürdigung vor allem von Frauen, die dafür nicht einmal bezahlt bekommen. Das hat mit Sozialreportage überhaupt nichts mehr zu tun."
Es blieb der FPÖ vorbehalten, das Format zu verteidigen. Es bilde doch nur die gesellschaftliche Entgrenzung ab, die die Linke zu verantworten habe, so FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer. Und der Servus-TV-Moderator Michael Fleischhacker hat dem "Geschäft mit der Liebe" in der Zeitschrift "News" zwar bescheinigt, grindig zu sein, aber auch eine Grundaufgabe das Journalismus zu erfüllen, nämlich: "Zeigen, was ist."
Eine Inszenierung - und nicht "zeigen, was ist"
Brigitte Theissl widerspricht: "Das ist natürlich kein valides Argument, weil es wird ja bewusst so inszeniert. Also da gibt es auch Männer, die machen das jetzt seit 15 Jahren. Das ist ja so eine Art Beruf für die - der Orsolics oder wie der heißt, wird nicht seit 15 Jahren da jetzt wirklich eine Frau suchen und auch wie es inszeniert wird vom Sender. Also es werden bewusst Situationen hergestellt. Was sie machen, wird kommentiert. Das ist nicht die Realität."
Es ist jedenfalls eine Challenge für die Medienbehörde, die ihrer Aufsichtspflicht nach Ansicht von Kritikern zu wenig forsch nachkommt. Man könne und wolle keine Zensurstelle sein, heißt es von Seiten der Behörde dann immer. Für NEOS-Politikerin Henrike Brandstötter ein an den Haaren herbeigezogenes Argument. Die Koalition werde das Profil von KommAustria und RTR - das ist der Rundfunkregulator, der Behördenapparat - schärfen, verspricht sie. Und man werde auch schauen: "Was können wir tun, damit es Prüfungsmöglichkeiten gibt für die KommAustria, wo sie auch mehr von sich heraus aktiv werden kann."
KommAustria steht doppelt auf dem Prüfstand
SPÖ-Mediensprecher Klaus Seltenheim wendet ein: "Ich habe kein Interesse daran, eine Behörde zu schaffen, die den ganzen Tag nichts anderes tut, als sich Fernsehprogramme anzusehen, und dann sagt: Da muss man einschreiten, da muss man einschreiten, da muss man einschreiten." Seltenheim macht das nächste Problemfeld auf. Vielleicht hilft da der Rechnungshof: Er hat die Medienbehörde geprüft, dem Vernehmen nach werden die Stellungnahmen gerade in den Rohbericht eingearbeitet - und der soll eine Menge Zündstoff enthalten.