Klang der Vielfalt: Pinc Music - Teilhabe hört sich gut an

Herzlich willkommen, sagt Sandra Knopp. In unserem Podcast geht es um Menschen, Geschichten, Leidenschaften und um Inklusion. Musik machen und Musikern und Musikerinnen eine Plattform geben, das sind die Leidenschaften unserer Gäste, Fred Lohr und Thorsten Hesse. Christoph Dirnbacher und ich haben die beiden bei der Zero-Konferenz im März in der UNO-City in Wien getroffen und mit ihnen über die Online-Plattform „Pinc Music“ gesprochen. Lassen wir sie sich doch kurz selbst vorstellen:

Thorsten Hesse:
Ja, danke für die Einladung zunächst. Mein Name ist Thorsten Hesse. Ich bin vom Verein „Handiclapped – Kultur Barrierefrei“. Ich freue mich, hier in Wien zu sein zur Zero-Konferenz.

Fred Lohr:
Ja, mein Name ist Fred Philipp Lohr. Ich komme aus Frankfurt am Main. Ich bin von Thorsten eingeladen worden, ihn zu begleiten zur Zero Project Conference.

Christoph Dirnbacher:
Was steckt hinter der Organisation Handiclapped? Kann man das kurz zusammenfassen?

Thorsten Hesse:
Ja, Handiclapped macht seit 2008 Konzerte, veranstaltet Konzerte in und um Berlin größtenteils. Wir haben auch eine Deutschland-Tour mal gemacht. Und Markenzeichen der Veranstaltung ist, dass immer eine inklusive Band und eine, wie wir sagen, normalverrückte Band auftreten und wir so immer Menschen mit und ohne Behinderung zusammen im Publikum feiern, aber auch auf und hinter der Bühne zusammen arbeiten.

Sandra Knopp:
Thorsten Hesse arbeitet als Projektkoordinator beim gemeinnützigen Verein „Handiclapped Kultur Barrierefrei e.V.“ und ist unter anderem für das Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Früher war er Marketing-Experte in der IT-Branche.

Thorsten Hesse:
Ich habe in verschiedenen Projekten schon gearbeitet in meinem vorigen Leben, wenn man das so sagen möchte. Und dann habe ich aber mich selbstständig gemacht zunächst als Fundraiser und für verschiedenste Organisationen gearbeitet. Und dabei habe ich auch Handiclapped kennengelernt, war auf einem Konzert und habe mich Hals über Kopf verliebt in den Verein und habe mir als Fundraiser selber eine Stelle geschaffen. Und seitdem, also seit sechs Jahren, bin ich jetzt dabei. Und den Verein gibt es eben schon seit 16 Jahren.

Christoph Dirnbacher:
Und der finanziert sich wie genau?

Thorsten Hesse:
Zu 90 Prozent, über 90 Prozent aus Projektzuwendungen von Lottogeldern, Förderung aus der Musikwirtschaft, Spenden, ja, das ist alles projektgetrieben. Das heißt, wir sind immer finanziert so über ein Jahr oder ähnliches, so ein bisschen unsicher auch immer. Aber jetzt gerade haben wir eine Förderung der Aktion Mensch für die nächsten vier Jahre, die so ein gewisses Grundbrummen gibt und uns eine Sicherheit gibt, dass es uns auf jeden Fall die nächsten fünf Jahre geben wird.

Sandra Knopp:
Die Online-Plattform Pinc Music ist ein Projekt von Handiclapped. Bevor wir darüber sprechen, wollen wir doch hören, was Musik unseren Gästen bedeutet. Fred Lohr nimmt seine Gitarre täglich in die Hand.

Fred Lohr:
Also ich bin einerseits Musikpädagoge, Gitarrist. Dann kommt noch dazu, dass ich komplett blind bin, also Musik mir unheimlich viel bedeutet. Neben Broterwerb auch, wie soll ich sagen, tägliche Struktur mit üben, mit neuen Stücken lernen. Ist tatsächlich so, wenn man dann so viel selber spielt, hat man gar nicht mehr so viel Lust, Musik zu hören. Ich habe meine CD-Sammlung jetzt kürzlich erst abgeschafft. Wenn ich da mal einen Titel aufrufe, sind es zum Beispiel auch Lieder von Gisbert zu Knyphausen oder tatsächlich aus der Vergangenheit, aus meiner Vergangenheit als junger Mensch. BAP höre ich ganz gern immer nochmal. Aber das ist ganz selten. Ansonsten ist Musik in meinem Alltag omnipräsent.

Sandra Knopp:
Und Thorsten Hesse findet einen schönen Ausdruck fürs Musikmachen:

Thorsten Hesse:
Musik ist für mich eine Superpower eigentlich, weil Musik ist etwas, was keine Grenzen kennt. Musik ist etwas, gerade in diesen Zeiten, in denen wir jetzt leben, wo sich die Gesellschaft immer stärker polarisiert, ein verbindendes Element. Also wenn man zusammen musiziert, zusammen tanzt, singt oder auch einfach nur lauscht, ist man Teil von etwas Größerem. Und das schafft Zusammenhalt. Und wir sagen eben, das ist der Grund, warum wir ganz fest an die Superpower der Musik glauben, dass sie uns hilft, eine inklusivere, offenere, vorurteilsfreiere Gesellschaft zu leben.

Sandra Knopp:
Thorsten Hesse lebt in Berlin. Fred Lohr lebt in Frankfurt, wie wir eingangs gehört haben. Nach Wien hat sie die Online Plattform Pinc Music geführt, die sie auf der Zero-Konferenz in der Wiener UNO-City präsentiert haben.

Thorsten Hesse:
Pinc steht für Plattform inklusiver Musik. Das heißt, wir haben eine Plattform geschaffen, ganz speziell für inklusive Bands, inklusive Chöre, inklusive DJ-Teams und Solo-Musiker mit Behinderung. Das heißt, in allen Acts, wie wir als Sammelbegriff das nennen, sind Menschen mit Behinderung aktiv als Auftretende dabei.

Sandra Knopp:
Also mindestens einer pro Band, oder?
- Richtig.

Christoph Dirnbacher:
Wenn wir Plattformen sagen, dann meinen wir einen Streaming-Kanal oder ein Portal auf YouTube? Was ist damit gemeint von der technischen Seite?

Thorsten Hesse:
Eigentlich ein Verzeichnis, eine Webseite, die man durchsuchen kann nach verschiedenen Kriterien. Man kann also suchen, suche ich eine Band, suche ich ein Solo, suche ich Punk, suche ich Jazz oder Rock oder suche ich Klassik. Man kann nach Bundesländern suchen, nach einer Freitextsuche und dann bekommt man eben eine Auswahl und bekommt dann ein Bild der Band oder des Künstlers oder der Künstlerin. Kommt eine Beschreibung, die ganzen Links zu deren Internet-Plattformen oder Social Media, ein Video wenn sie haben. Viele haben Video, wo man schon mal hören, sehen kann, was man da vielleicht kauft und man bekommt die Kontaktdaten, um direkt mit den Bands in Kontakt zu treten.

Sandra Knopp:
Über 100 Acts haben sich auf der Plattform eingetragen. Einige Solo-Musikerinnen und Musiker, aber auch Bands. Fred Lohr ist auch dabei. Gemeinsam mit Holger Marzahn aus Potsdam bildet er das Gitarren-Duo „fest & frei“.

Fred Lohr:
„fest & frei“, tatsächlich ist der Name mir eingefallen, weil ich mit dem Holger Marzahn, der mit mir zusammen dann als Duo spielt, uns folgende Vorgehensweise überlegt haben. Ich spiele fest meine klassischen Stücke, meine eigenen Stücke, und er improvisiert ganz frei darüber. Also das ist eigentlich der Grund, weshalb das „fest & frei“ heißt. Wir hatten auch schon schöne Auftritte in Berlin-Pankow, die im Prinzip dann auch über die Plattform Pinc Music zustande kamen und haben dieses Jahr sogar schriftliche Anfragen von der Ostsee, Bad Doberan und aus Dortmund eine Anfrage. Das ist auch dank Pinc Music, geht über diese Plattform. Und tatsächlich, was für mich dann auch ganz neu ist, weil wir sonst eher im Frankfurter Raum Musik gemacht hat. Also das habe ich Pinc Music zu verdanken.

Sandra Knopp:
Auf der Plattform können sich MusikerInnen eintragen und Eventverantwortliche nach Acts suchen.

Thorsten Hesse:
Also am Anfang ging es eher von uns aus, dass wir die Band kannten und eingeladen haben. Jetzt kehrt sich das so ein bisschen um. Wenn wir bekannter werden, dass eben Bands dann auch uns kontaktieren und sagen, wir würden gern auf die Plattform. Und da sind alle herzlich eingeladen. Und der Weg ist, es gab, das ist vielleicht ganz interessant im Thema Barrierefreiheit, es gab ein, wir haben für viel Geld ein barrierefreies Formular entwickelt, mit dem sich die Bands selber eintragen können, haben aber auch angeboten, wenn es für euch einfacher ist, tragen wir euch ein. Dann könnt ihr uns einfach ein E-Mail, PDF oder was ihr auch immer habt, schicken. Und das hat dazu geführt, dass von den 104 Acts, die wir momentan haben, mindestens über 80 wir eingetragen haben. Weil es für die doch dann einfacher war, uns einfach ihre Materialien zur Verfügung zu stellen.

Sandra Knopp:
Der Großteil der Bands und Solo-KünstlerInnen stammt aus Deutschland. Bisher hat sich eine österreichische Band eingetragen.

Thorsten Hesse:
Wir haben tatsächlich eine österreichische Band schon auf der Plattform. Das ist die Powerband Tirol aus Imst, die auch im Mai ein großartiges, inklusives Musikfestival machen. Am 4. Mai, kann ich sehr empfehlen. Und wir haben jetzt hier schon mehrere kennengelernt. Das heißt, wir sind sehr offen, laden alle ein. Das ist eine kostenlose Plattform. Sowohl für die Bands, also die Acts, als auch für die, die suchen. Ja, da sind jetzt alle hiermit aufgerufen, eingeladen, sich auf unserer Plattform zu präsentieren. Und ich denke, das ist, wie die Musik keine Grenzen kennen kann, auch die Booker keine Grenzen. Manche Bands sind ja viel näher aus Österreich als aus Hamburg. Sage ich mal, wenn man in Süddeutschland sitzt. Also da gehen wir sogar, dass wir jetzt, weil wir mehrere Kontakte haben, so ein bisschen Richtung europäische Plattform gucken.

Sandra Knopp:
Fred Lohr, Jahrgang 1970, ist Gitarrist und Musikpädagoge. Mit 20 Jahren erblindete er aufgrund eines Autounfalls. 1993 begann er ein Masterstudium in Musikpädagogik und Romanistik. Und 1998 gründet er die inklusive Band „Rolling Allenstones“. Im Gespräch erzählt er von seinem Leben als Musiker. Über seine Behinderung definiert werden will er keineswegs. Darüber spricht er nur, wenn der Rahmen passt.

Fred Lohr:
Ich habe auch meine Grenzen. Ich sage zum Beispiel bei Veranstaltungen... oder im gewissen Zusammenhang, wenn da steht, der blinde Musikpädagoge oder der blinde Gitarrist, da sage ich, was spielt das für eine Rolle? Kann man weglassen. Gerade wenn es dann auch noch eine Inklusionsveranstaltung ist. Das war in Wiesbaden, am Schiersteiner Hafen, vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Da habe ich gesagt, lasst das doch weg. Das ist doch Käse, das muss doch da nicht stehen. Genauso hatte ich eine andere Sache. Da wollten sie das Blind mit reinbringen, weil das so reißerisch wäre. Da war das so ein bisschen... Ach klar, hier in Wien. Ich bin hier aufgetreten, im Quentin, Kaiserstraße. Und da wollten sie dann reinschreiben: der blinde Gitarrist. Habe ich gesagt, das wäre mir lieber, ihr lasst das weg, denn es tut hier nichts zur Sache. Was aber nicht heißt, dass ich nicht über meine Blindheit reden kann. Nur ich möchte nicht so einen Stempel auf die Stirn bekommen oder als irgendwie... Ja, also gegen meinen Willen, dass dann mein Handicap praktisch zur Vermarktung oder zu irgendwelchen Zwecken benutzt wird, hinter denen ich nicht stehe. Das ist das Entscheidende. Genauso ist es, wenn jemand als Erstes einen Satz zu mir sagt, weil er mich führt, weil er mir hilft: Sehen Sie gar nichts? Sage ich auch immer: Uh, toller Beginn! Ganz interessant, dass wir uns erst mal so kennenlernen. Aber mittlerweile bin ich da auch gelassener geworden. Das ist, denke ich, immer auch so eine Frage von, wie man grad an dem Tag auch drauf ist, wie es auch rüberkommt. Und ich würde das auf keinen Fall pauschalisieren. Und im Zusammenhang mit meinen Auftritten hab ich es ja gesagt. Da würde ich es eher nicht so betont haben wollen, weil sonst kann ich mich auch mit einer schwarzen Sonnenbrille und vielleicht noch drei schwarzen Punkten auf dem Arm hinsetzen, damit es dann besonders rührselig wirkt oder so.

Sandra Knopp:
Auch auf der Plattform Pinc Music steht die Musik im Fokus.

Thorsten Hesse:
Die Inhalte, wie die Bands sich präsentieren, kommen zu 100 Prozent von den Bands selbst oder bei den Solo-MusikerInnen von den Solo-MusikerInnen. Das ist also jedem und jeder freigestellt, wie sie sich da präsentieren wollen. Natürlich ist die Frage, braucht man dann so eine Plattform? Da muss man Inklusion draufschreiben, und da führen wir viele Diskussionen drüber und wir wären alle froh, wenn wir das nicht bräuchten. Aber da sind wir leider noch nicht. Der Musikbetrieb, die Musikwirtschaft ist nicht inklusiv. Und wir wollen Werbung für diese Sache machen. Und das ist nun mal viel einfacher für eine Sache Werbung zu machen, wenn man draufschreibt, wofür man Werbung macht. Wir arbeiten daran, uns abzuschaffen.

Sandra Knopp:
Die Corona-Pandemie bedeutete für Fred Lohr einen Riesen-Einschnitt, wie er sagt. Einige Einzelschüler und -Schülerinnen fielen weg und er musste sich neu aufstellen.
Fred Lohr:
Dann hat sich das bei mir alles so entwickelt: Ich will auch wirklich eine Lanze brechen für nachbarschaftliche Zusammenarbeit. Es gibt im Viertel bei mir ein Nachbarschaftsbüro, mit dem habe ich auch schon vor Corona zusammengearbeitet, aber nach Corona noch mehr. Ich arbeite mittlerweile für eine Einrichtung für Menschen in prekären Lebenssituationen. Unter anderem Obdachlose. Der Untertitel heißt auch: Wohnzimmer für Menschen ohne Wohnung. Und ich arbeite für eine Einrichtung, die sich mit Substituierten beschäftigt. Das ist eine WG mit Menschen, die heroinabhängig waren. Das ist natürlich nicht unbedingt Musik unterrichten, sondern Musik als Animation, mal wieder was sich körperlich zu bewegen beziehungsweise auch was fürs Hirn zu tun.

Sandra Knopp:
Nachbarschaftsarbeit ist sehr wichtig für Lohr. So hat er sich mit dem Salon Gutleut einen Namen gemacht. Das ist eine inklusive Veranstaltungsreihe im Gutleut-Viertel in Frankfurt.

Fred Lohr:
Die Idee dahinter ist, dass sich Leute aus der Nachbarschaft treffen und sich gegenseitig was vorlesen, vorspielen, meinetwegen jemand einen Handstand macht oder was auch immer. Also es ist keine Aufführung in dem Sinne, es ist auch völlig ohne kommerziellen Hintergrund. Es findet an verschiedenen Orten statt und führt einfach dazu, dass zumindest die Menschen, die diese Veranstaltung kennengelernt haben, sie weiter mitverfolgen, an andere Orte kommen im Viertel, die sie vielleicht noch nicht kennen. Und auch der Gastgeber, Gastgeberin mal eine andere ist. Wir haben schon im Garten von der Siedlung das veranstaltet oder im Transnormal. Das ist ein Laden, wo Männer sich zu Frauen verkleiden lassen können und schminken lassen können und allem drum und dran. Geht über zwei Stunden, meistens sonntags. Der letzte Salon Gutleut, das ist dann das Letzte, was ich dazu sage, ist dann nochmal eine Spezial-Version. Und zwar heißt das der Karneval Diverse, das war am 1. März, also kurz bevor ich hierhergefahren bin. Und das war die zweite Auflage. Eben auch in dieser Teestube Jona, in diesem Wohnzimmer für Menschen ohne Wohnung. Und Karneval Diverse von daher, da geht es gar nicht um Helau und Tätätätä, sondern da sind zum Teil Menschen, die dort auch Klienten sind, die können sich dann nicht großartig verkleiden und haben vielleicht auch keine Lust das vorzutragen. Und allein die Mischung der Menschen, die da saßen, ohne dass das jetzt, Alkohol gibt es da dann eh auch nicht, ohne dass das jetzt in irgendeiner Weise eine aufgepumpte Veranstaltung war, war sehr divers. Die Beiträge waren sehr divers, es war ein gutes Programm. Der Ort selber, also die Teestube Jona, ist auch froh, dass so eine Veranstaltung stattfindet, um einfach nochmal auch anders von den Bürgern aus der Nachbarschaft wahrgenommen zu werden. Es war so ein Gewinn für alle.

Sandra Knopp:
2024 wurde der Salon Gutleut mit dem Nachbarschaftspreis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet. Zur Motivation, dieses Event zu starten, möchte Fred Lohr noch erzählen, …

Fred Lohr:
.. dass die Idee zu dem Salon Gutleut nur deshalb kam, um Schülern von mir auch eine Auftrittsmöglichkeit so zu geben.

Sandra Knopp:
Wir haben Fred noch gebeten, uns eine musikalische Kostprobe auf seiner Gitarre zu geben.

Fred Lohr:
Musik
Das ist ein Stück von mir. Ach so, das heißt Eekhoorn. Eekhoorn ist das holländische Wort für Eichhörnchen.

Sandra Knopp:
Der Frankfurter setzt sich immer wieder neue Ziele.

Fred Lohr:
Dass ich wieder mehr auf die klassische Gitarre kam und das gemacht habe, hatte eigentlich mit einer Frau zu tun, in die ich mich sehr groß, also sehr stark verliebt habe. Mit der war ich auf einem Konzert, wo auch klassische Gitarre war, und dachte dann, um ihr zu imponieren, die Stücke musst du auch alle lernen. Da bin ich immer noch dran. Das ist vorbei, aber ich will jetzt nicht zu weit ausholen... Das Lied habe ich für sie selber geschrieben. Und die Stücke, die Klassischen, weil die wirklich auch so schwer sind. Ich weiß nicht, Wer sich jetzt mit klassischer Gitarre auskennt, aber sowas wie Asturias, die muss ich immer noch fleißig üben, aber das hat auch seinen Sinn und Zweck.

Sandra Knopp:
Nun zurück zur Musikplattform: Die Veranstalter können sich die Profile der Solo-MusikerInnen oder der Bands ansehen und buchen auch direkt über die MusikerInnen. Pinc Music ist also keine herkömmliche Agentur. Die Vielfalt unterscheidet sie von anderen Plattformen, ist Thorsten Hesse überzeugt.

Thorsten Hesse:
Ja, einmal geografisch schon, dann von den Genres, dann von der Personenanzahl der Acts und auch vom, wir haben jetzt viel von Fred gehört, aber da gibt es eben sehr unterschiedliche Menschen. Für manche auf der Plattform ist Musizieren eine große Herausforderung. Für viele, vielleicht die meisten spielt Behinderung beim Musikmachen keine Rolle. Und andere wie Fred, der steckt uns mit seinem besseren Gehör wahrscheinlich in die Tasche, ist es dann eine Superpower. Also das ist auch in diesem Aspekt, was bedeutet die Behinderung für das Musikmachen, sehr, sehr unterschiedlich, ist da nicht ein Akt mit dem Anderen vergleichbar und das ist eben auch ein ganz wichtiger Fakt, den alle erstmal wissen, die sich mit dem Thema nicht viel beschäftigt haben, lernen müssen, dass es eben eine sehr vielfältige Community ist und es da die unterschiedlichsten Blickwinkel eben gibt.

Sandra Knopp:
Was ist künftig geplant bei Pinc Music?

Thorsten Hesse:
Ja, zum einen laden wir immer mehr Acts ein, sich auf der Plattform zu präsentieren. Das ist ein kostenloser Dienst und je vielfältiger die Plattform ist, desto besser können wir die unterschiedlichsten auch Blickwinkelbedarfe der Booker erfüllen. Und da gucken wir eben auch Richtung Internationalisierung, dass wir uns geografisch ausdehnen, nicht nur nach Österreich, sondern über die Grenzen auch hinaus. Und wir haben des weiteren eine Sektion geschaffen für die Konzertorte und Festivals, die also Bands buchen. Die kriegen das Gütesiegel „inklusiver Konzertort“, können damit auch ein bisschen Werbung machen und werden auf der Seite gelistet. und wir haben jetzt ein großes fünfjähriges Partnerschaftsprogramm gestartet, wo wir alle Pinc Music Acts mit Bands, die nicht auf der Plattform sind, teilweise sehr bekannten Bands, die Spider Murphy Gang ist dabei, Fools Garden ist dabei, Bands, die zumindest in Deutschland sehr bekannt sind, Vom Ritchie, der Schlagzeug von den Toten Hosen war schon dabei, Claudia Lippmann, die also Sichtbarkeit auf die Plattform geben. Aber auch ExpertInnen aus der Musikindustrie dabei sind, die sich austauschen mit den Bands. Wir wollen die Bands eben auch dabei unterstützen, sich weiter zu professionalisieren. In allen Aspekten, die das Musikmachen so gibt, vom Schreiben der Musik bis zum Aufnehmen, bis zu Videos, bis zur Vermarktung, Social Media und so weiter, also alle Aspekte der Musikwertschöpfungskette. Und letzten Endes ist das natürlich keine Einbahnstraße, genauso lernt die Musikwirtschaft von uns und von unseren tollen Acts. Wir infiltrieren da die Musikwirtschaft ein bisschen und hoffen so, die ganze Musikwirtschaft auf einen inklusiveren Weg zu bringen, sage ich mal.
Sandra Knopp:
Damit es mehr inklusive Events gibt, müssen die Veranstalterinnen und Veranstalter an Bord geholt werden.

Thorsten Hesse:
Clubs sind leider oft nicht barrierefrei. Und die haben dann aber Angst, Bands bei uns zu buchen, weil sie denken: Oh, dann wird das ja offensichtlich. Und das ist totaler Quatsch. Also wenn jetzt jemand einen Club hat, wo ein Rollstuhlfahrer z. B. nicht reinkommt, das ist schlecht, wenn der nicht reinkommt oder sie nicht reinkommt. Aber es wird nicht dadurch besser, dass ein blinder DJ dort nicht auftritt, sondern das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Deshalb sag ich immer: Die meisten, über 70 Prozent unserer Bands, können auf jeder Bühne auftreten und sollten das auch tun.

Sandra Knopp:
Durch die Musikplattform flatterten bei Fred schon Anfragen aus anderen Städten herein, unter anderem aus Berlin. Diese Auftritte haben für ihn als Musiker einen hohen Stellenwert und das auf mehreren Ebenen.

Fred Lohr:
Berlin-Pankow war schon zweimal, war sehr toll und ist auch eine gute Erinnerung. Das Schöne daran ist, dieses Jahr werden wir wieder gefragt. Also wir haben da sehr guten Eindruck hinterlassen. Aber ich sag mal, wir sind hier auf einem Thema, wo es um Inklusion geht und alles und da würde ich das mal aus der Sicht eines blinden Menschen beschreiben: Wenn ich dann einen Grund habe, nach Berlin zu fahren und Musik zu machen, weil es eben auch meine Leidenschaft ist, hat es einen ganz anderen Stellenwert für mich, als wenn jemand sagen würde, ich fahre mit jemand nach Berlin und erkläre dir, wie das Brandenburger Tor aussieht und die Museumsinsel. Nicht, dass es mich nicht interessiert. Aber das andere ist für das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeit so viel mehr wert. Und das ist so eine tolle Möglichkeit. Ich sage das jetzt nicht aus so einer pathetischen, bedeutungsschwangeren Haltung, sondern eher, weil es einfach so verdammt gut tut. Also, dass es einfach so eine Wertschätzung ist und so über die Frankfurter Grenzen hinaus zu gucken, da gibt es noch viel mehr Sachen, die ich erzählen könnte. Da langt aber die Sendung nicht für. Ich würde nur sagen, alleine, was sich da durch Pinc Music sich erweitert, dass es das gibt, ist unheimlich wertvoll für mich. Dazu kommt eben auch noch Kontakt zu anderen Musikern, die ja dort auftauchen, wo man auf einmal hört, der eine weiß vielleicht was über Software und barrierefreie Musikprogramme. Der andere arbeitet in Hamburg und hat da einen speziellen Verein aufgebaut und sowas. So kriegt man ja überhaupt erstmal konzentriert Kenntnis davon. Das müsste man sich ja sonst ganz mühsam zusammensuchen.

Sandra Knopp:
Fred Lohr erzählt uns von seinen persönlichen Plänen. Was will er denn in den nächsten fünf oder sechs Jahren erreichen?

Fred Lohr:
Ach, warum denken Sie in so langen Zeitfenstern? Das beginnt jetzt schon. Kurz vor der Abreise nach Wien hab ich nochmal schnell E-Mails gecheckt und da war dann tatsächlich drin von der Bundesstiftung Kultur eine positive Rückantwort. Ich habe mich da für ein Peak Mentoring beworben. Und jetzt kommt nämlich noch der Kracher dabei. Auf den Peak Mentoring wurde ich aufmerksam, weil ich den Newsletter von Pinc Music sehr aufmerksam gelesen habe. Und habe mich da beworben. Also man muss sich als nicht Musiker im strengen Sinn, sondern als Künstler oder Kulturschaffender mit Handicap konnte man sich bewerben für ein Mentoren-Programm bei dieser Bundesstiftung Kultur. Und musste das aber auch ausarbeiten. Musste den Mentor schon gefunden haben und alles. Den habe ich gefunden. Und da geht es jetzt um das Thema, was Sie angesprochen haben. Meine Perspektive ist ganz klar Community Music. Das ist praktisch eine Form des Musizierens, kommt aus dem englischsprachigen Raum. Da geht es um Musik. Auch wiederum in der Nachbarschaft. Nebenbemerkung Salon Gutleut. Und quer durch die Gesellschaft. Man kann sich auch wieder die Teestube Jona nennen. Unabhängig von gesellschaftlicher Schicht. Unabhängig von Alter. Unabhängig von musikalischer Vorbildung. Das heißt, man macht Musik mit dem, was im Viertel da ist. Und das trifft sich ja bei mir an den beiden Sachen, die ich vorhin schon genannt habe. Salon Gutleut oder Teestube Jona. Und ich habe vor, das in Frankfurt auszubauen. Weil in Frankfurt, dieser Standort in Deutschland, noch nicht so entwickelt ist. Da gibt es ganz andere wie in Köln oder in Dortmund. Und ich möchte gerne praktisch die Führungsposition haben, das in Frankfurt auszubauen. Weil es sollte darum gehen, das Peak Mentoring, dass ein Mensch mit Handicap in einer Führungsposition sich dadurch auch entwickelt. Und da muss ich natürlich aufpassen. Ich möchte natürlich auch ungern, dass meine anderen Sachen, die mir wichtig sind, darunter leiden.

Sandra Knopp:
Fred Lohr und Thorsten Hesse sind nicht nur nach Wien gekommen, um von Pinc Music zu erzählen. Die inklusive Musik-Plattform wurde auch mit einem Zero Conference Award ausgezeichnet.

Thorsten Hesse:
Das bedeutet uns ganz viel. Das ist natürlich einmal eine Wertschätzung, nicht nur für uns, sondern auch für alle Künstlerinnen, die auf der Plattform sind. Und natürlich ist sowas auch immer eine Medaille, die man sich der Webseite der Plattform anheften kann und eine Kreditwürdigkeit nach außen einem gibt.

Sandra Knopp:
Wir gratulieren den beiden. Vielen Dank für das Gespräch über die Superpower Musik inklusive Events und nachbarschaftlichem Zusammenhalt. Das war FreakCasters für heute. Wenn euch diese Folge gefallen hat, erzählt doch bitte euren Freunden und eurer Familie davon und abonniert unseren Podcast FreakCasters. Weitere Episoden von Menschen, Geschichten, Leidenschaften und Inklusion findet ihr auf Spotify und auch auf Simplecast und anderen Podcast-Plattformen. Wir haben auch einen YouTube-Kanal. Auf Wiederhören und bis zum nächsten Mal, sagt Sandra Knopp.

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