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Wenn Journalisten um Grundsatzurteile kämpfen
Jäger der versteckten Informationen
Seit 1987 gilt in Österreich die Auskunftspflicht für Behörden gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, nicht sehr streng – aber sie ist ein Anker, um verweigerte Informationen einzuklagen. Vorkämpfer der Informationsfreiheit haben da wichtige Pionierarbeit geleistet und Erfolge erzielt. Ihr Know-how wird noch wichtig sein, wenn es darum geht, das am 1. September in Kraft tretende Informationsfreiheits-Gesetz mit Leben zu erfüllen.
7. Mai 2025, 18:00
"Machen Sie keinen Fehler!" Die Drohung stammt aus einem Brief der Anwälte von "Dream Security", das ist die Firma, an der Ex-Kanzler Sebastian Kurz beteiligt ist. Gerichtet an Alexander Fanta, der für die Investigativ-Plattform "Follow the Money" und den "Falter" recherchiert hat, womit "Dream" eigentlich sein Geld verdient. Das Problem der Anwälte: Der israelische Partner von Kurz hat früher mit der Späh-Software "Pegasus" bedenkliche Geschäfte gemacht und das will man verschleiern.

VALENTIN BADURA
Alexander Fanta
Anfragen zu den Geschäften der Kurz-Firma
Fanta ließ sich nicht beirren und stellte auch Anfragen an mehrere europäische Regierungen, schließlich ist Sebastian Kurz das Gesicht der Firma in Europa, hier lässt er seine politischen Kontakte spielen und bahnt Geschäfte an. Eine zähe Recherche - auch dort, wo es Transparenz-Gesetze gibt, sagt Alexander Fanta: "Ich habe sehr viele negative Antworten bekommen, also Behörden, die auch gar nicht zeigen wollten, ob es Kontakt mit der Firma gab. Das war in Ungarn, in Polen der Fall. Auch in Serbien, wo ich mit Hilfe einer lokalen Journalistin diese Anfrage stellte, bin ich abgeblitzt. Tatsächlich eine positive Antwort bekommen habe ich in der Schweiz."
Die Schweizer Behörde habe ein dreiseitiges Dokument herausgegeben, eine Broschüre, die bis dahin nicht öffentlich gewesen sei. Und Spanien, wo gegen den Partner von Kurz wegen der Spyware "Pegasus" ermittelt wird, habe ebenfalls Informationen herausgegeben. "Sie haben geschildert, dass es Treffen mit 'Dream Security' gab, dass da auch drüber geredet wurde. Die Firma will ihre Produkte auf dem europäischen Markt zertifizieren. Das waren interessante Aussagen für die Geschichte", sagt Fanta. Der Kundenkreis von "Dream" bleibt dennoch im Dunkel.
Missbräuchliches Lobbying von Tech-Konzernen
Fantas Arbeitsgebiet ist die Europäische Union, er hat zum Beispiel die jahrelange Verzögerung des einheitlichen Ladegeräts für Handys durch Lobbying von Tech-Konzernen aufgedeckt. Durch Anfragen an die Kommission. "Da waren sehr viele Gesprächsprotokolle dabei. Treffen mit Apple, mit anderen Firmen, mit Branchenverbänden, die jetzt keiner kennt, aber die eigentlich sehr viel Einfluss haben in Brüssel. Und aus diesen Dokumenten konnte ich rekonstruieren, dass die Kommission eigentlich untätig war und dass das auch den Grund hat, dass vor allem Apple immer wieder Versprechungen gemacht hat. Wir machen das eh freiwillig, ihr braucht nicht zu regulieren."
Die EU-Behörde sei durchaus kooperativ, auch wenn er mit seinen - wie es Fanta nennt - Schleppnetz-Anfragen kommt, die er so beschreibt: "Bitte sendet mir alle Gespräche, die ihr habt, mit dieser und jener Firma, in diesem und jenem Zeitraum. Die sind nicht immer ganz glücklich darüber, kommen dann und fragen: Können wir das nicht ein bisschen eingrenzen, können Sie bitte genauer sagen, was Sie haben wollen?" Und dann beginne eine Art Verhandlung, bis man sich irgendwie einig wird.
EU-Ombudsfrau hilft bei Info-Verweigerung
15 Tage ist die reguläre Antwort-Frist nach den EU-Regeln, meistens dauert es länger. Aber da hilft die EU-Ombudsfrau - seit kurzen ist das Teresa Ajinho und der offizielle Titel ist Europäische Bürgerbeauftragte. Als Journalist hat Alexander Fanta einen guten Draht in ihr Büro. "Sie kann der Kommission nichts anschaffen, aber es ist trotzdem sehr, sehr wichtig, weil es jemanden von offizieller Stelle gibt, der ein statutarisches Recht hat und der einmal hinschreiben kann: Was ist jetzt mit der Frist? Und die Ombudsfrau kann auch Akteneinsicht nehmen und kann sich zum Beispiel die originalen und geschwärzten Akten, die ich haben will, anschauen."
Das Gegenstück in Österreich wäre ein Informationsfreiheits-Beauftragter, den es aber im neuen Gesetz nicht geben wird. Das war eine zentrale Forderung des Forums Informationsfreiheit. Der Datenjournalist Markus Hametner ist dort im Vorstand, er hat schon viele Kämpfe mit dem Staat ausgefochten - unter anderem hat er die Offenlegung der Eurofighter-Gegengeschäfte und teilweise auch des Eurofighter-Kaufvertrags erwirkt.

HAMETNER
Markus Hametner
Sieben Jahre Schikane der Stadt Wien
Hametners "trauriges Highlight", wie er sagt, ist ein Rechtsstreit mit der Stadt Wien um Auskunft über 2016 gesammelte Reformvorschläge: Zuerst wurde verweigert, nach Jahren bekam Hametner dann mutwillig nur eine Stunde Zeit, um 2000 Blätter Papier durchzulesen, Fotografieren und Kopieren verboten. Das Verfahren läuft seit sieben Jahren wiederholt über mehrere Instanzen. Der Verfassungsgerichtshof hat vor kurzem dazu festgestellt, dass diese Dauer "unangemessen lang" sei. Markus Hametner sei "in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist verletzt worden".
Aber: auf welche Art und Weise der Magistrat die Auskunft zu erteilen hat, dafür sehen sich die Verfassungsrichter nicht zuständig, sie verweisen an den Verwaltungsgerichtshof und Hametner geht dort auch wieder hin. "Meiner Ansicht nach muss hier nach vier Verfahren ein Gericht der Behörde doch sagen können, wie konkret die Auskunftserteilung passieren soll. Deswegen geht es da in die nächste Runde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Das wäre das dritte Mal, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit dieser einen Anfrage befasst."
Die Pioniere kämpfen um Präzedenzfälle
Hametner will einen Präzedenzfall schaffen: "Vielleicht geht es um Dokumente zur Wien Energie, zu den Krediten, wo mit einer Notermächtigung der Bürgermeister den Energieversorger gestützt hat. Stellen Sie sich vor, das dauert sieben Jahre, bevor die Stadt etwas herausgeben muss!" Hametner hofft, "dass dieser Fall dann auch ein Präzedenzfall wird, der zeigt: So geht das einfach nicht."

DER STANDARD/HEIDI SEYWALD
Maximilian Werner
Maximilian Werner vom "Standard" hat schon einen Präzedenzfall geschaffen. Als Redakteur bei den "Vorarlberger Nachrichten" hat Werner die Bezüge der Bürgermeister im Ländle recherchiert, die nicht offengelegt waren. Sechs der 96 Gemeinden haben die Auskunft verweigert, in einem der Fälle ist Werner zum Landesverwaltungsgericht gegangen und hat Recht bekommen. "Das Landes-Verwaltungsgericht hat entschieden, dass mir der Bürgermeister diese Auskunft geben müsste. Der Bürgermeister hat mir diese Auskunft trotzdem nicht gegeben. Wir haben darüber berichtet, und am Tag nach dem Bericht hat die Gemeinde doch noch seinen Gehaltszettel geschickt."
Bürgermeister-Bezüge und Corona-Verordnungen
Beim Bundes-Verwaltungsgericht hat Maximilian Werner früher erfolgreich eingeklagt, dass das Gesundheitsministerium seine Begründungen für Corona-Maßnahmenverordnungen herausgeben muss. "Das Gesundheitsministerium wollte mir diese Dokumente nicht geben, sie haben gesagt, dass eine Offenlegung zum Beispiel für Diskussionen auf Twitter sorgen könnte oder dass fachliche Laien diese Dokumente diskutieren und einzelne Zitate herausnehmen würden." Das Bundesverwaltungsgericht hat das anders gesehen.
Dieser Kampf um die versteckten Informationen, der erfordert Hartnäckigkeit und Zeit, da hat der erst 23-jährige Werner schon Erfahrung. "In diesem Verfahren zum Beispiel habe ich zehnseitige Bescheid-Beschwerden geschrieben. Da kamen Antworten aus dem Gesundheitsministerium ans Gericht. Da habe ich dann Repliken auf diese Antworten geschrieben. Das ist schon Zeit, die da anfällt in diesem Verfahren." Der Investigativ-Journalist Stefan Melichar vom "profil" kann das bestätigen. "Wir gehen mitunter auch selbst verhandeln ins Verwaltungsgericht. Auch wenn wir es gemeinsam mit dem Anwalt machen, müssen wir den grundsätzlichen Informationshintergrund der Recherche ja trotzdem liefern. Das ist teilweise sehr zeitaufwändig."

PROFIL/ALEXANDRA UNGER
Stefan Melichar
Auf den Spuren eines russischen Oligarchen
Auch Melichar hat gerade erst einen Erfolg beim Verfassungsgerichtshof gelandet, es geht um volle Einsicht in das sogenannte "Register der wirtschaftlichen Eigentümer" beim Finanzministerium. Der Hintergrund der Recherche: "Da gab es eben Spuren in Richtung Moskau, durchaus auch mögliche Spuren ins Umfeld eines dann später sanktionierten Oligarchen." Als Journalist bekam Stefan Melichar nur Stichtags-Informationen aus dem Register – zu wenig, um aufgetauchte Ungereimtheiten überprüfen zu können.
Er habe in Bezug auf eine bestimmte Firma, der laut Grundbuch ein Grundstück in Niederösterreich gehört, immer wieder ins Register hineingeschaut und das Ergebnis abgeglichen mit anderen Recherchen zu dieser Firmenstruktur. "Und da habe ich gesehen, dass da möglicherweise was nicht passt mit diesem Eintrag, und hab daraufhin Einsicht begehrt in viel mehr Daten."
Zentraler Artikel 10 der Menschenrechtskonvention
Andere Berufsgruppen wie Anwälte und Notare haben volle Einsicht in das Register, der VfGH hat jetzt von Amts wegen eine Prüfung dieser gesetzlichen Bestimmung eingeleitet - sie könnte gleichheitswidrig sein und dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen.
Nach diesem Artikel der EMRK können Journalisten als "Public Watchdog" das Recht auf Zugang zu Informationen haben - das hat der VfGH erstmals in einem Verfahren zugestanden, dass der ORF-Journalist Martin Thür angestrengt und gewonnen hat. Thür hat damals die Offenlegung der Gehaltsfortzahlung von Abgeordneten eingeklagt, und das war nicht sein einziges erfolgreiches Verfahren im Kampf um Informationsfreiheit.
EU-Gericht entscheidet über Transparenz next level
Auf EU-Ebene steht eine möglicherweise spektakuläre Gerichtsentscheidung kurz bevor, die Alexander Fanta von "Follow the Money" ausgelöst hat. Es geht um die Grundsatzfrage, ob SMS und andere Chat-Nachrichten von Politikern archiviert und - wenn von öffentlichem Interesse - herausgegeben werden müssen. Auslöser waren SMS von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an den Chef des Pharma-Konzerns Pfizer, die waren laut Bericht der "New York Times" die Grundlage für einen Milliarden-Deal mit Impfdosen - und Fanta wollte die SMS sehen. Die Kommission hat gemauert.
Fanta: "In der Grundrechte-Charta steht drin: Dokument ist ein Dokument, whatever the medium. In dem Fall ist es eine SMS. Die Kommission sagt: SMS sind nicht wichtig, die legen wir nicht im Archiv ab, zu denen geben wir keinen Zugang. Auf einer rechtlichen Ebene ist das kein komplexer Fall. Aber es ist ein politisch bedeutender Fall. Es geht hier ums Prinzip." Die "New York Times" hat den Fall in Zusammenarbeit mit Fanta vor das Europäische Gericht gebracht, die Entscheidung soll in wenigen Tagen bekanntgegeben werden.
Richter fand Argumentation der Kommission bizarr
Bei einer Anhörung im November sei spürbar gewesen, dass das Gericht für die Haltung der Kommission kein Verständnis hat, sagt Alexander Fanta. Die Argumentation sei gewesen: "Diese SMS sind unbedeutend, deswegen haben wir sie nicht archiviert. Und dann ist der Anwalt der Kommission gefragt worden: Haben Sie die SMS auch gesehen? Und er hat gesagt: nein. Einer der Richter hat das dann als bizarr bezeichnet." Da könne man heraushören, dass die Richter eventuell ein Grundsatzurteil machen werden, meint Fanta. Die guten Transparenzregeln der EU könnten also noch einmal ganz wesentlich geschärft werden.
"Es werden noch viele Klagen notwendig sein"
Ein Problem auf EU-Ebene ist der Klagsweg, der lang dauert und teuer ist. Wäre die "New York Times" nicht eingesprungen - er hätte sich die SMS-Klage nicht leisten können, sagt Alexander Fanta. In der Hinsicht sei das österreichische Informationsfreiheitsgesetz besser: relativ kurze Fristen, geringe Kosten. Und das ist auch wichtig, denn es werden viele Klagen notwendig sein, damit die Informationsfreiheit wirklich zum Durchbruch komme, meint Fanta. "Das wird auch sehr davon abhängen, ob zum Beispiel österreichische Journalisten bereit sind, ihr Recht vor Gericht durchzusetzen. Das ist mühsam. Das wird vielleicht nicht immer die Story bringen, aber du musst es machen, weil nur so änderst du das Verhalten der Verwaltung." Die Beamten, die diese Anträge bearbeiten, die müssten wissen, dass sie eigentlich immer mit einer Klage rechnen müssen. Dann werde sich auch im Verwaltungsverhalten etwas ändern.