Donald Trump und Karoline Leavitt

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Der Umgang der Medien mit US-Präsident Trump

Zwischen Lärm und Faschismus

Donald Trumps erste 100 Tage im Amt stellen auch den Journalismus vor große Herausforderungen. Der US-Präsident überflutet die Öffentlichkeit mit teils widersprüchlichen Aussagen und Handlungen. Experten warnen vor einer Normalisierung seiner Politik und fordern von Medien mehr Einordnung statt reiner Wiedergabe.

Seit Trumps Amtsantritt sehen sich Journalistinnen und Journalisten mit einer "Flut an Meldungen, Dekreten und Anordnungen aus dem Weißen Haus" konfrontiert, wie ORF-Korrespondent Christophe Kohl berichtet. Er spricht von einem Marathon. "Es ist oft wirklich eine Herausforderung, bei diesem Tempo mitzuhalten", so Kohl. Die Schwierigkeit bestehe darin, "herauszufiltern, was nur Lärm und was tatsächlich wichtig ist". Medien und Öffentlichkeit zu überfordern, sei Kalkül.

Anders als sein Vorgänger Joe Biden sei Trump "omnipräsent" und spreche in jedes verfügbare Mikrofon. "Bei Joe Biden haben wir im Scherz gesagt: Nach 18 Uhr kommt nichts mehr aus dem Weißen Haus, also kann man sich entspannen", erzählt Kohl. Bei Trump sei das absolut nicht der Fall.

Doppelt so viele APA-Nennungen für Trump

Auch ein Blick in die Nachrichtenagentur APA zeigt das. Fast 9.000 Treffer spuckt die Austria Presse Agentur zum Stichwort Donald Trump seit Jahresanfang aus - Joe Biden kam zu seinem Amtsantritt 2021 im Vergleichszeitraum auf nicht einmal halb so viele Nennungen. Ganz praktisch ist die Unberechenbarkeit des Präsidenten ein Problem für all jene, die sich an Deadlines im Redaktionsalltag halten müssen. Als Beispiel nennt Kohl den Schlingerkurs in Trumps Zollpolitik, wegen der sich die Lage fast stündlich geändert hat.

Die vergebliche Suche nach dem Sinn

Trotz teils absurder Vorstöße Trumps machen viele Medien weiter mit "Business as usual", wie Kritiker bemängeln. Selbst bei offensichtlicher Willkür wie Trumps erratischer Handelspolitik werde nach Strategie und Taktik gesucht – ein Phänomen, das als "sanewashing" – übersetzt etwa vernünftig-waschen - bezeichnet wird.

Klaus Kamps, Kommunikationswissenschafter an der Hochschule der Medien Stuttgart, rät Medien beim Umgang mit Donald Trump allgemein zu mehr Gelassenheit. Gerade bei provozierenden Aussagen. Wenn Trump etwa scherzt, er wolle der nächste Papst werden, brauche es stets auch den Kontext. Meldungen über Trump sollten "nicht nur lustig sein oder nur die Bemerkung von Trump, die vielleicht irritiert oder aufregt, in den Mittelpunkt stellen, sondern man müsste es immer auch mehr einordnen", so Kamps. Den meisten Medien gelinge das gut, bei Sozialen Medien, die schnell einmal ein Bild mit Zitat publizieren, ortet Kamps öfter Nachlässigkeit. Die Problematik bestätigt auch ORF-Korrespondent Christophe Kohl. Er versuche, Trump nicht an seinen Worten, sondern an seinen Taten zu messen. "Wenn der Tag lang ist, sagt Trump viel", so Kohl.

Umbau der USA in Richtung Autokratie

Die Aufgabe der Stunde sei es jetzt, das "große Ganze" in den Blick zu nehmen, sagt Kamps. Die USA entwickeln sich gerade vor den Augen der Weltöffentlichkeit "in Richtung Autokratie". Trump ziele darauf ab, "dem Amt auch für künftige Präsidenten wesentlich mehr Macht zu geben".

Auch USA-Experte und Politikwissenschafter von der Uni Salzburg Reinhard Heinisch warnt und zieht einen Vergleich mit Ungarn unter Viktor Orbán. Trump versuche alle unabhängigen und ihm unliebsamen Institutionen loszuwerden. Er greife Justiz, Medien und politische Gegner an, so Heinisch. Und jedes System, das Kontrollinstanzen ausschaltet, entwickle sich unweigerlich in Richtung Diktatur. "Ob ich das jetzt Faschismus nenne oder nicht – die Richtung ist vorgezeichnet."

"Sämtliche Faschismus-Kriterien erfüllt"

Der Historiker Timothy Snyder geht noch weiter und spricht von "Faschismus" - Trump erfülle alle Kriterien. Auch die Journalistin Annika Brockschmidt sieht bei Trump typische Merkmale wie die "Glorifizierung einer mythischen Vergangenheit" oder ein "von extremem Freund-Feind-Denken geprägtes völkisches Weltbild", hinzu kämen unter anderem "Misogynie" und ein "Führerkult". Wie sich die Republikanische Partei unter Trump radikalisiert hat und von Extremisten übernommen wurde, beschreibt Brockschmidt in ihrem neuesten Buch "Die Brandstifter" detailliert. Diese Tendenzen und Pläne nicht zu benennen, sei "Realitätsverweigerung" seitens einiger Medien.

Annika Brockschmidt fordert von Medien eine klare Haltung. "Wenn Neutralität bedeutet, Lügen und Hetze unwidersprochen wiederzugeben, können Journalistinnen und Journalisten nicht neutral sein." Stattdessen müssten sie "parteiisch für demokratische Grundprinzipien, für Pressefreiheit und für Fakten einstehen".

Aufruf zu kritischem Journalismus

Auch die Außenpolitik-Journalistin Siobhán Geets vom "profil" mahnt zur Wachsamkeit. "Wenn da die Demokratie und der Rechtsstaat abgebaut werden, kann man nicht sagen, jetzt lassen wir das einmal. Denn das ist relevant." Falsch wäre es, "jeden Rülpser" zu analysieren. Sondern es gehe jetzt um wesentliche Fragen: "Was bedeutet etwa der Abbau des Rechtsstaats in Amerika? Wie bewegt sich das Land Richtung Autokratie? Welche Folgen hat das und welche Hintergründe?" Medien könnten ein wichtiger Baustein im Widerstand gegen Trump sein, so Geets.

Politikwissenschafter Reinhard Heinisch wünscht sich auch das Beleuchten blinder Flecken. Medien sollten aufhören, sich nur auf Trump zu fixieren und mehr berichten, welche Gruppen im Hintergrund darauf warten, das Erbe des Präsidenten zu übernehmen. Heinisch nennt Vizepräsident J.D. Vance und Vize-Stabschef Stephen Miller als Beispiele. Aber es sei eben einfacher, nur über die "letzte Scheußlichkeit von Trump" zu schreiben.

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