
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Der Markt der Wochenmagazine: Falter, profil, News
Ein Dreikampf, der keiner sein will
Das "profil" ist 55 und hat das groß gefeiert. Aber gibt es für Wochenmagazine gerade wirklich Grund zum Feiern? #doublecheck wirft einen Blick hinter die Kulissen von "profil" sowie seiner Mitbewerber „Falter“ und „News“. Seit Breaking News via Internet frei Haus geliefert werden, haben sich längst Tageszeitungen im Revier der Magazine eingenistet. Die müssen sich neu erfinden, viel ausprobieren, und das geht natürlich leichter, wenn man ökonomisch auf sicheren Beinen steht. Dem "Falter" gelingt das recht gut, "profil" und "News" werden von ihren Eigentümern trotz Verlusten durchgetragen und bleiben zuversichtlich.
3. Juli 2025, 18:30
"Altern in Würde, das ist oft nicht so einfach, wie man sich das für sich selbst wünscht", hat "profil"-Chefredakteurin Anna Thalhammer in der 55-Jahre-Jubiläumsausgabe des Wochenmagazins geschrieben. Drei Tage nach dem Erscheinen fand das Schul-Massaker in Graz statt und das "profil" machte mit einer voyeuristischen Reportage von sich reden. Altern in Würde ist tatsächlich schwierig.
Das "profil" und das Altern in Würde
Horst Pirker, der Chef der VGN-Holding, in der das Konkurrenz-Magazin "News" erscheint, meint nicht nur den Boulevard, wenn er sagt: "Ich habe mich für die Kolleginnen und Kollegen, die da Verantwortung tragen, auch die Eigentümer, wirklich geschämt." Zumal sich bei der Feier 55 Jahre "profil" - in Erinnerung an die großen alten Zeiten gut besucht von politischer Prominenz - Anna Thalhammer und Geschäftsführer Richard Grasl mit Werbe-Sackerln mit der Aufschrift "Der Boulevard kann uns mal" ablichten haben lassen. Ist Grasl das im Nachhinein peinlich? "Nein, diese Kampagne ist schon ein Jahr alt und wir haben noch Werbemittel davon. Und wir wollen uns hier einfach abgrenzen vom Boulevard. Und ich glaube nicht, dass die Berichterstattung vom Profil in der Frage Attentat Graz boulevardesk gelaufen ist."
Die goldenen Zeiten für Wochenmagazine sind lange vorbei. Das Internet hat die Breaking News übernommen, Qualitäts-Tageszeitungen liefern hochwertige Recherchen und Investigativ-Storys, sie sind magazinig geworden, wie man so sagt. Dazu kommen die Mühen des Anzeigengeschäfts. Herbert Lackner, langjähriger Chefredakteur des "profil", erinnert sich: "Wir hatten keine Doppelseiten zur Verfügung, weil wir so viele Inserate hatten. Das war wahnsinnig schwierig und die Hefte war entsprechend dick. Wenn man sich heute die Magazine anschaut, dann ist das natürlich traurig, weil es gibt viele Doppelseiten, die die Redaktion zur Verfügung hat, aber wenige Inserate."
Den "Falter" überholen war Fehlanzeige
In den Hoch-Zeiten verkaufte das "profil"120.000 Hefte, sagt Lackner. Heute ist es nur noch ein Viertel davon. Gleichauf mit "News", das in der Media-Analyse - die die Leser-Zahlen erhebt - aber schlechter abschneidet als das "profil". Bei dieser Befragung schwingt auch das Image eines Blattes mit, und im Dreikampf hat da jetzt schon länger der Falter die Nase vorn mit zuletzt 270.000 Leserinnen und Lesern, das" profil" hat 240.000 und das News 200.000. Das Ziel von "profil"-Geschäftsführer Grasl, den "Falter" wieder zu überholen, bleibt fern. Grasl relativiert: "Meistens sind wir hier in der Schwankungsbreite, aber man muss sich sozusagen auch immer jemanden suchen, mit dem man sich am Markt konkurrenziert. Das war in dem Fall mit dem Falter, der für seine Zielgruppe eine sehr gute Zeitung und ein sehr gutes Magazin auch macht."
Die stellvertretende Chefredakteurin des "Falter", Eva Konzett, sieht die Konkurrenz als wertvoll und befruchtend. Man freue sich über die guten Leserzahlen, aber: "Mir ist es lieber, es gibt ein starkes Profil und es gibt ein starkes News als es gibt noch stärkere Social Media Plattformen oder einen noch gemästeteren Boulevard." Und "Falter"-Geschäftsführer Siegmar Schlager sagt über die Media-Analyse-Zahlen, die ja der Maßstab für die Werbewirtschaft sind: "Sagen wir mal so: die Mediaplaner tun sich schwerer, uns nicht zu buchen, aber Audi wird bei uns nicht ganzseitige Inseratenserien schalten." Leicht ironischer Nachsatz: was mit solchen Premium-Werbekunden nicht ist, könne ja noch werden.
Der Newsletter und der Pfeffermühlen-Macher
Ein typischer "Falter"-Inserent sieht anders aus, da kommen die Wurzeln als Wiener Stadtzeitung wieder durch, die jetzt im "Falter Morgen" Newsletter eine digitale Blüte erlebt. Siegmar Schlager: "Im siebten Bezirk gibt es einen Pfeffermühlenhersteller, der die selber im Geschäft drechselt. Natürlich hochpreisige Produkte. Den haben wir sicher zehn, fünzehn Mal in dem Newsletter drinnen. Der könnte sich ein Falter-Inserat nur einmal leisten." Zwei Newsletter, Morgen und Abend, Podcasts, die "Falter Arena" - also Journalismus auf der Bühne - damit verdiene der "Falter" auch Geld, alles finanziere sich selber, so Schlager. Und alles natürlich: Markenpflege. Das Blatt als Tanker und viele Beiboote, wie es Eva Konzett nennt.
Investitionen in die rund 20 Leute starke Redaktion bestreite man aus dem Cash Flow, also dem Einnahmenüberschuss, betont Geschäftsführer Schlager. Das gelte auch für Experimente: "Wenn man das alles aus dem Cash Flow heraus finanzieren kann tut man sich leichter, weil man sich mehr traut. Man muss dann nur die Konsequenzen habe zu sagen, wenn es nicht funktioniert, ist es wieder vorbei. Dass machen wir auch, aber darüber reden wir nicht." Schlager berichtet von einstelligen Zuwächsen sowohl im Verkauf als auch bei den Anzeigen-Erlösen.
Zwei Drittel der Zugriffe wegen Events und Lokalen
Digital kämen zwei Drittel der Zugriffe wegen des Event-Programms und wegen des Lokalführers "Wien wie es isst", nur ein Drittel wegen der Artikel - was eine Sonderrolle des "Falter" bestätigt. Medienexperte Peter Plaikner: "Beim Falter kommt eine Zwittersituation als Stadtmagazin, sprich als Veranstaltungsmagazin noch dazu. Wir wissen nicht, wie stark genau dieser Teil des Falter ihn auch wirtschaftlich trägt."
Was trägt das "profil" wirtschaftlich? Vor allem Raiffeisen. Die Bilanz des Wochenmagazins, das eine 100-Prozent-Tochter des "Kurier" ist und damit zum Raiffeisen-Medienreich gehört, wies zuletzt einen Verlust von rund 5,5 Millionen Euro auf. Eine Summe, die sich vor seiner Zeit angehäuft habe, wie "profil"-Geschäftsführer Richard Grasl betont. Seit zwei Jahren nehme man wieder mehr ein, als man ausgebe. "Wichtig ist uns und auch der Eigentümerschaft der positive Cashflow und da sind wir gut sechsstellig im Plus gewesen. Sowohl 2023 als auch 24 und das peilen wir jetzt auch im Jahr 2025 an, vielleicht geht sich sogar auch bilanziell dieses Mal schon ein positives Ergebnis aus."
Raiffeisen trägt Millionen-Verluste von "profil"
Bei Raiffeisen heißt es auf Anfrage: "Wir unterstützen wir den Transformationsprozess von profil mit viel Vertrauen in die Geschäftsführung und die Chefredaktion. Erste Fortschritte, insbesondere im Online-Bereich, zeigen, dass strategisch wichtige Weichen gestellt wurden. Aus unserer Sicht entwickelt sich das profil damit in eine zukunftsorientierte Richtung."
Geschäftsführer Grasl beschreibt es so: "Wir haben es geschafft, in den letzten beiden Jahren das Profil wieder zu drehen, indem wir keine großen Sparpakete gefahren sind, sondern es ist uns wirklich umsatzseitig gelungen, mit unseren Abo-Erlösen, mit unseren Werbe-Erlösen, mit vielen Ideen, die die Redaktion auch gemeinsam mit uns entwickelt hat. Auch die digitalen Erlöse sind mittlerweile mehr als zufriedenstellend." Bei "profil online" gebe es allerdings noch viel Luft nach oben, sagt Grasl. Da sei man vor zwei Jahren quasi von null weg gestartet und noch lang nicht am Ende des Weges angelangt.
Pirker trägt jährlichen "News"-Millionen-Verlust
Auch das "News" ist nicht am Ende seines Weges, obwohl es seinem 75-Prozent-Eigentümer Horst Pirker regelmäßig einen Millionen-Verlust beschert, wie er im #doublecheck Interview freimütig erläutert. Positionen aufzugeben, das wäre ihm zu einfach, sagt Pirker. "Das wäre für mich hochrentabel, würde mir jedes Jahr einen siebenstelligen Betrag gutschreiben. Aber ich sitze ja nicht da, weil ich jetzt möglichst viel Geld verdienen will. Sondern ich sitze da, weil ich Medien immer in meinem Leben geliebt habe. Weil ich immer für Medien gekämpft habe."
Pirker kann sich das insofern leisten, als in seinem Magazinverlag viele andere Produkte erscheinen, die - wie er sagt - zum Teil hochrentabel sind. Vor allem "TV Media", ein salopp formuliert aufgemotztes und gut gemachtes Fernsehprogramm. "Ich habe den Blick auf News, den Blick auf Woman. Ich habe den Blick auf TV Media. Ich habe den Blick auf den Trend. Ich habe den Blick auf Gusto. Und jetzt bin noch nicht fertig auf die Auto Revue usw. Und die sind praktisch durchwegs rentabel. Die eine oder andere Marke, die ich gerade aufgezählt habe, ist hoch rentabel. Und das erlaubt einem ein Engagement gesellschaftspolitischer Natur."
Ein Verleger denkt gesellschaftspolitisch
Pirker war viele Jahre als Manager bei der Styria tätig, davon zehn Jahre als Vorstandschef des Konzerns. Medienexperte Plaikner spricht vom Lebenstraum des Horst Pirker: "Nicht nur ein renommierter Medienmanager zu sein, sondern selbst Verleger, weil Eigentümer - ihm gehören 75 Prozent der gesamten Gruppe. Aber News, der namensgebende Titel ist letztlich seit Jahren das Sorgenkind, obwohl es mit einem extrem kleinen Team gestaltet wird, das zum Beispiel deutlich kleiner ist als etwa die Redaktionen von Profil oder des Falter."
"profil" und "Falter" haben jeweils gut 20 Leute in der Redaktion, "News" liegt bei einem Drittel davon. Horst Pirker selber spricht davon, dass die Redaktion personell am Limit sei. "News"-Chefredakteurin Kathrin Gulnerits bestätigt das: " Wir sind sechs Redakteurinnen und Redakteure und dazu ich als Chefredakteurin. Das sind enge Rahmenbedingungen, wo immer noch viel möglich ist, aber wo es natürlich auch Grenzen gibt, logisch." Das "News" versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Man arbeitet mit Autoren - einer von ihnen ist Peter Plaikner mit einer Medien-Kolumne - und kauft auch Inhalte zu.
Die Mini-Redaktion erfindet das "Kuratieren"
Das Zauberwort ist "Kuratieren", Verlagschef Pirker verwendet die Albertina als Beispiel: In diesem wunderbaren Museum würden ja auch nicht die Mitarbeiter den ganzen Tag Bilder malen, sondern relevante Werke auswählen. Kathrin Gulnerits über die Umsetzung: "Wir kuratieren sehr viel, Das heißt, wir kaufen Geschichten zu, aus der NZZ zum Beispiel oder Forbes oder auch aus dem angelsächsischen Raum. Wir weisen das auch aus. Wir schmücken uns da jetzt nicht mit fremden Federn. Und es gibt auch eine Kollegin, die sich vor allem damit beschäftigt."
Wie relevant ist das "News" vor diesem Hintergrund heute? Sucht man das Heft in der Trafik, dann wird man oft enttäuscht, weiß auch Gulnerits. "Ja, ich kriege auch die Rückmeldung, ich würde euch gerne kaufen, aber ich war jetzt in drei Trafiken und fünf Tankstellen und ich krieg's nicht." Horst Pirker glaubt dennoch an das Produkt, der Verkauf am Kiosk steht für ihn nicht so im Fokus. Ist "News" also relevant genug? " Es ist nicht relevant genug, aber ich glaube, wir haben den einen oder anderen Schritt in Richtung Relevanz gemacht."
Der Benko-Prozess und die Rückkehr der Relevanz
Als Beispiel kommt die Aufdecker-Serie von Rainer Fleckl, der jetzt für die Kronenzeitung arbeitet, und Sebastian Reinhart über den tiefen Fall des Immobilien-Jongleurs Rene Benko. Diese Geschichten haben das "News" wieder spannend gemacht. Und das sei nachhaltig, befindet Chefredakteurin Gulnerits. "Dass dem Herrn Benko jetzt demnächst der Prozess gemacht wird, ist ja maßgeblich auf Recherchen von News und Krone zurückzuführen. Das darf man ja nicht geringschätzen und es wird dabei irgendwie immer so ein bisschen abgetan als naja, ist halt News mal was gelungen. Also da ist uns schon ganz schön viel gelungen."
Zum Boulevard, auf dem sich das "News" unter seinem Gründer Wolfgang Fellner pudelwohl gefühlt hat, sagt Kathrin Gulnerits - um den "profil"-Slogan zu verwenden: Der kann mich mal. "Lange vor meiner Zeit hätte sich jemand postwendend ins Auto gesetzt, wäre nach Graz gefahren, hätte an irgendeiner Wohnungstür geläutet und am Ende so eine Boulevardgeschichte gemacht, die jetzt andere gemacht haben. Aber in News gibt es diese Geschichten schon lange nicht mehr." Eine feine Spitze in einem Dreikampf, der keiner sein will.