
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Ö1 Talentebörse
Clemens Gächter, Bildende Kunst
In Kooperation mit den österreichischen Kunstuniversitäten präsentiert Ö1 junge Kunst-Talente Österreichs. Clemens Gächter studiert Kunst und Gestaltung am Innsbrucker Standort des Mozarteum Salzburg.
30. Juli 2025, 07:55
Junge Künstlerinnen und Künstler im Porträt
Wenn ich mich selbst in drei Sätzen beschreiben müsste, würde ich sagen, dass ich für die Malerei brenne. Ich versuche, das Leben und die Kunst mit Humor zu nehmen und zu bewältigen. Und zu guter Letzt denke ich manchmal zu viel darüber nach, was andere von mir denken.
Geboren: 2001 in Hohenems
Mein aktuelles Studium: Master Kunst und Gestaltung, bei Elisabeth Schmirl, Mozarteum Salzburg Standort Innsbruck
Mein größter Erfolg: Meine Ausstellung im Periscope Salzburg sowie die Mitgründung eines Kollektivs.
Was ist Kunst und was nicht?
Die Frage was Kunst ist und was nicht haben schon viele große Künstler*innen versucht zu beantworten und ich würde mir nicht anmaßen, eine allgemeingültige Antwort darauf zu geben. Für mich persönlich ist Kunst vieles und gleichzeitig auch vieles nicht. Die entscheidende Frage ist für mich weniger, was Kunst ist, sondern welche Kunst mich berührt. Es gibt Werke, die zweifellos einen künstlerischen Wert haben, mich aber völlig unberührt lassen, was sie dennoch nicht weniger zu Kunst macht. Jeder Mensch hat seinen eigenen Zugang, seine eigene Resonanz. Deshalb glaube ich: Es gibt keine eindeutige Definition. Kunst beginnt dort, wo etwas entsteht, das über das bloß Funktionale hinausgeht, ob mit viel oder wenig Aufwand, ob laut oder leise. Aber nicht einmal das würde ich so stehen lassen. Letztlich ist es eine ebenso offene Frage wie: Was ist der Sinn des Lebens?
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Mein Weg zur Kunst war kein geradliniger und definitiv kein früher. In meiner Kindheit spielte Kunst im engeren Sinne keine große Rolle. Ich bin nicht in einem klassischen „Kunsthaushalt“ aufgewachsen. Mein Vater ist Tischler, meine Mutter Floristin, beide handwerklich und kreativ begabt. Und genau diese kreative Ader, die in ihren Berufen spürbar war, habe ich wohl mitbekommen. Als Kind wurde ich immer unterstützt, wenn ich gebastelt oder gebaut habe, das wurde zwar nicht als „Kunst“ bezeichnet, war aber sicher ein Fundament. Der bewusste Zugang zur Kunst kam für mich erst spät. Erst durch den Besuch bestimmter Ausstellungen, bei denen ich auch Führungen erleben durfte, öffnete sich für mich eine neue Welt. Denn Kunst, die auf den ersten Blick vielleicht fremd oder unverständlich wirkt, braucht manchmal Vermittlung, um greifbar zu werden. Erst dann konnte ich eine Verbindung aufbauen und habe begonnen, auch selbst künstlerisch zu arbeiten. Anfangs zeichnete ich viel, vor allem fotorealistisch. Ich verstand Kunst lange nur als etwas, das möglichst genau abbildet. Erst später auch durch mein Studium und durch das bewusste Auseinanderbrechen dieses Verständnisses konnte ich meinen Kunstbegriff erweitern.
Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?
Ich denke, Kunst entsteht aus einer Mischung dieser drei Elemente. Können, müssen und wollen. Für mich persönlich stehen das Müssen und das Wollen jedoch im Vordergrund. Wenn eine Idee in mir entsteht, verspüre ich oft einen inneren Drang, sie in die Welt zu bringen. Es ist fast ein Zwang, etwas, das aus dem Kopf heraus und in eine greifbare Form überführt werden muss, meist in Form von Malerei. Gleichzeitig will ich diese Idee nicht einfach nur schnell skizzieren und abhaken. Ich will ihr gerecht werden, sie so gut wie möglich umsetzen, manchmal genauso, wie sie in meinem Kopf existiert, manchmal als offener Prozess. Das Können ist dabei natürlich nicht unwesentlich. Über die Jahre habe ich mir Techniken und Fähigkeiten angeeignet, um das, was ich ausdrücken möchte, auch tatsächlich umsetzen zu können. Und manchmal stoße ich auch an meine Grenzen und merke, dass ich weiter üben, weiter lernen muss, um das Gewünschte realisieren zu können.
Wo würden Sie am liebsten ausstellen/auftreten/inszenieren?
Ich glaube, viele Künstler*innen träumen davon, irgendwann ganz groß auszustellen und natürlich geht es mir da nicht anders. Mein größter Traum wäre es, einmal den österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig zu bespielen. Das wäre ein Lebensziel. Gleichzeitig bin ich mir sehr bewusst, dass dieser Weg noch weit ist. Ich habe noch viel zu lernen, mich weiterzuentwickeln, sowohl künstlerisch als auch technisch. Obwohl ich schon einige Schritte gegangen bin, sehe ich meine Arbeit als stetigen Prozess. Aktuell freue ich mich vor allem auf meine bevorstehende Master-Ausstellung am 15. Oktober in Innsbruck, in einem kleinen Off-Space. Und wenn ich diese Ausstellung gut auf die Beine stelle und damit zufrieden bin, dann ist das für mich schon ein großer Erfolg. Schritt für Schritt.
Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Aktuell arbeite ich vor allem mit Freund:innen zusammen, mit denen ich auch das Fluoro Fleece Kunstkollektiv gegründet habe. Und ehrlich gesagt habe ich im Moment gar nicht das Bedürfnis, mit „großen Namen“ oder mir unbekannten Künstler* innen zusammenzuarbeiten. Vielmehr möchte ich mich auf dieses Kollektiv konzentrieren, auf die sechs wunderbaren Menschen, mit denen ich diesen Weg schon jetzt gemeinsam gehe. Wir sind auf einem guten Weg, künstlerisch wie auch persönlich. Und ich wünsche mir vor allem mehr Zeit, um diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Denn zwischen Studium, Arbeit und Alltag bleibt oft nicht genug Raum, um sowohl individuell als auch als Gruppe zu wachsen. Aber genau das ist mir wichtig: nicht nur allein voranzukommen, sondern auch gemeinsam etwas aufzubauen.
Wie viel Markt verträgt die Kunst?
Ich glaube, dass Kunst und Markt in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen, die Kunst braucht den Markt, und der Markt braucht die Kunst. Damit Kunst überleben und Künstler*innen davon leben können, ist ein funktionierender Markt essenziell. Natürlich kann ein Zuviel auch schädlich sein, wie in jedem Bereich. Wenn der Markt zu dominant wird und beginnt, Inhalte oder Ausdrucksformen zu diktieren, kann das der Kunst schaden. Aktuell befinden wir uns durch weltweite Krisen in einer instabileren Marktlage, die natürlich auch den Kunstmarkt betrifft, wenn auch in erster Linie auf höheren Ebenen, in denen ich mit meiner Arbeit zurzeit noch nicht aktiv bin. Trotzdem sehe ich den Markt grundsätzlich als wichtigen Bestandteil des Kunstsystems. Er sollte aber die Kunst nicht bestimmen, sondern ermöglichen.
Und wie viel Kunst verträgt der Markt?
Ich glaube nicht, dass der Markt von „zu viel Kunst“ überfordert werden kann, letztlich reguliert sich das System selbst. Es ist eine Frage von Qualität, Relevanz und manchmal auch schlichtweg Glück. Was hervorsticht bleibt bestehen. Der Markt nimmt auf, was er tragen kann, und was keine Resonanz findet, fällt oft automatisch wieder heraus. Insofern sehe ich keine reale Gefahr einer Übersättigung. Aber vielleicht habe ich auch einfach noch zu wenig Ahnung vom Markt.
Was ist etwas völlig Unvernünftiges, das Sie trotzdem sofort tun würden, wenn Geld keine Rolle spielt?
Ich glaube, ich würde nie mehr einen Pinsel auswaschen, sondern jedes Mal einfach einen neuen nehmen. Wobei, ganz ehrlich, das würde ich vermutlich doch nicht wirklich machen. Aber es ist ein schönes Gedankenspiel.
Welche Vision haben Sie für Ihre Arbeit – oder für sich selbst – in zehn Jahren, die Sie (noch) niemandem erzählt haben?
Diese Frage finde ich ehrlich gesagt schwer zu beantworten, weil ich mich grundsätzlich als offenes Buch sehe und wenig vor anderen verberge. Trotzdem möchte ich es versuchen: Meine Vision ist, in zehn Jahren in der Kunst fest etabliert zu sein, frei und selbstbestimmt arbeiten zu können und davon leben zu können. Gleichzeitig wünsche ich mir, anderen Künstlerinnen und Künstlern zu helfen, sie zu unterstützen und ihnen Chancen zu ermöglichen, damit auch sie sich etablieren können. Diese Erkenntnis habe ich besonders durch unsere kleine Schaufenstergalerie in Innsbruck gewonnen, die wir im Rahmen unseres Kollektivs betreiben. Auch wenn es nur ein kleiner Raum ist, ist es ein interessanter und charmanter Ort, gerade in einer Stadt wie Innsbruck, wo es nicht einfach ist, Kunst zu zeigen. Immer wenn wir dort jemanden einladen, seine oder ihre Kunst zu präsentieren, spüre ich, dass ich dieses Engagement unbedingt weiterverfolgen möchte.
Glauben Sie, dass Ihre Arbeit in Zukunft von künstlicher Intelligenz ersetzt werden könnte – und warum (nicht)?
Ich glaube nicht, dass meine Arbeit komplett von künstlicher Intelligenz ersetzt wird. KI wird sicherlich viele Bereiche verändern, besonders im Bereich der Auftragskunst, etwa wenn man für Firmen arbeitet. Da sehe ich schon heute, wie KI zum Beispiel x-beliebige Motive oder Posts erstellt, die man sich vielleicht auch einfach ins Wohnzimmer hängen kann. Aber ich bin überzeugt, dass meine Kunst und Kunst im Allgemeinen, nicht durch KI ersetzt werden kann. KI wird niemals die Abstraktion und das Denken haben, die nötig sind, um Kunst wirklich zu schaffen. Es ist ein Unterschied, ob man etwas Digitales oder Gedrucktes irgendwo aufhängt oder eine echte Malerei, die von einer Person mit eigener Vision und Gefühl geschaffen wurde. Sollte es in der Zukunft tatsächlich soweit kommen, dass eine KI so weit entwickelt ist, dass sie eigenständig malt, dann hätte ich wohl Zukunftsängste. Aber bis dahin denke ich nicht und bleibe ich unbeängstigt.
Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?
Viele würden wahrscheinlich sagen, es war bei einem kleinen Fotoshooting, wobei „Fotoshooting“ vielleicht übertrieben ist. Das war für eine bevorstehende Ausstellung in einem Supermarkt und zwar direkt hinter der Fleischtheke, während der Betriebszeiten. Viele würden das wohl als sehr unangenehm empfinden, aber mir war das überhaupt nicht unangenehm. Wenn ich etwas für meine Kunst mache, braucht es schon viel, damit ich mich wirklich unwohl fühle. Ganz ehrlich gesprochen war die letzte Erfahrung, bei der ich mich wirklich unangenehm fühlte, ein Artist Talk bei einer Ausstellung. Der Talk war eigentlich locker und frei aber gleichzeitig auch sehr kritisch und bohrend. Ich hatte das Gefühl, ein bisschen vorgeführt zu werden. Das war wohl das letzte Mal, dass ich unangenehm aufgefallen bin oder zumindest so empfand. Vielleicht ist es auch nur mir selbst unangenehm gewesen und es ist gar nicht so aufgefallen. Ansonsten würde ich tatsächlich das „Wursttheken-Fotoshooting“ als den Moment nennen, den andere vermutlich als unangenehm wahrgenommen hätten.
Was wünschen Sie sich, dass Ihre Kunst bei anderen auslöst?
Eigentlich habe ich gar nicht so große Wünsche, was meine Kunst bei anderen auslöst. Die Kunst, die ich produziere, ist in erster Linie für mich selbst. Was dann bei anderen ankommt oder was es bei ihnen auslöst, ist mir eigentlich relativ egal. Wenn ich mir dennoch etwas wünschen müsste, dann wäre es vielleicht, dass meine Kunst das Gefühl transportiert, das ich selbst während des Malens empfunden habe. Ich freue mich einfach, wenn ein Kunstwerk überhaupt ein Gefühl weckt. Das Schlimmste wäre für mich, wenn es gar kein Gefühl auslöst oder nur Belanglosigkeit hinterlässt, dann wäre ich vermutlich am Ziel vorbeigeschossen. Aber selbst das wäre nicht so tragisch, weil das, was ich produziere, vor allem aus mir heraus ist. Ich würde auch dann malen, wenn niemand meine Werke sehen würde.