
ORF/ISABELLE ORSINI UND ROSENBERG
Ö1 Talentebörse
So Young Park, Bildende Kunst
In Kooperation mit den österreichischen Kunstuniversitäten präsentiert Ö1 junge Kunst-Talente Österreichs. So Young Park studiert Performative Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien.
18. August 2025, 10:43
Ich erforsche den „Dazwischen-Zustand“ von Leben und Sterben. Durch performative Installationen und Live-Performances schaffe ich Räume, in denen die Präsenz des Körpers spürbar wird und die Lebendigkeit ‚der Existenz‘ erlebbar ist. Meine Praxis thematisiert die Zerbrechlichkeit des Lebens und bietet einen Raum für Selbstreflexion.
Geboren: 1997 in Seoul, Südkorea
Aktuelles Studium: Performative Kunst, bei Prof. Carola Dertnig, Andrea Salzmann und Stefanie Sourial, Akademie der Bildende Künste Wien
Mein größter Erfolg: Mir selbst und meinem Potenzial zu vertrauen und danach zu leben – verbunden mit tiefer
Dankbarkeit gegenüber den Menschen um mich herum, die dieses Vertrauen möglich machen.
Was ist Kunst und was nicht?
Die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst hängt vom Blickwinkel der Betrachter:innen ab. Selbst wenn wir dasselbe Phänomen oder Objekt betrachten, beginnt Kunst dort, wo sich die Wahrnehmung unterscheidet. Für mich ist Kunst das Sichtbarmachen oder Erzählen jener Welt, die jeder Einzelne auf seine*ihre Weise wahrnimmt.
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Kunst hilft mir, nicht nur die Welt, sondern auch mich selbst zu hinterfragen – und ermutigt mich dadurch, weiterzuleben. Immer wenn ich mich frage: „Welche Art von Kunst möchte ich machen?“, gelange ich unweigerlich zu der Frage: „Wie möchte ich leben?“ Meine Arbeit kreist daher um die grundlegenden Fragen: „Wie sind wir in unser Leben eingetreten? Wie sollten wir unser Leben führen? Wie sollten wir unseren eigenen Tod vorbereiten?“ Ich träume von einer Welt, in der Fürsorge ein geteilter Rhythmus ist – füreinander und für uns selbst. Mit meiner Praxis versuche ich, Räume und Momente zu schaffen, in denen Menschen innehalten, reflektieren und mit Zärtlichkeit zu ihrem eigenen Leben zurückkehren können.
Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?
Für mich kommt Kunst von müssen. In diesem inneren Muss sind jedoch sowohl das Können als auch der Wille enthalten
Wo würden Sie am liebsten ausstellen/auftreten/inszenieren?
Für mich ist eine Bühne kein festgelegter Raum, sondern ein Ort, an dem ich Erfahrungen mit anderen teilen kann. Die Präsenz des Publikums ist für meine Arbeit essenziell, denn erst durch ihre Anwesenheit wird ein Raum zur Bühne. Ich denke immer darüber nach, welche Atmosphäre ich schaffen und welche Erfahrung ich dem Publikum vermitteln möchte. Da jedes Publikum seine eigenen vielfältigen Hintergründe und Perspektiven mitbringt, empfinde ich es als besonders bedeutungsvoll, an unterschiedlichen Orten mit jeweils anderem kulturellen und sozialen Kontext aufzutreten.
Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Ich würde sehr gerne mit Doris Uhlich zusammenarbeiten. Ich habe mehrmals an ihren BodyMusic-Workshops teilgenommen, und jedes Mal bin ich mit einer neuen Perspektive auf mich selbst und die Welt herausgegangen. Ihre Herangehensweise brachte mich dazu, mich zu fragen: „Wie möchte ich der Welt begegnen? Mit welcher Haltung?“ Menschen mit unterschiedlichen Körperformen, Altersgruppen und Hintergründen kommen zusammen – und für einen Moment begegnen wir uns ohne Urteil, weder über uns selbst noch über andere. Das Gefühl von Zusammensein ist unglaublich stark für mich. Ich erinnere mich, dass ich mich trotz meiner Nacktheit und der Fremden um mich herum sehr wohl fühlte – in diesem gemeinsamen Moment spürte ich eine tiefe Intimität und Verletzlichkeit.
Wie viel Markt verträgt die Kunst?
Wenn Performance eine Form von Aufführung mit Performer*innen, also Menschen, ist, dann ist es zwar möglich, die Vorstellung für eine bestimmte Zeit mehrfach zu wiederholen. Aber genauso wie das Publikum bei jeder Aufführung unterschiedlich ist, kann auch keine Performance genau gleich sein. Deshalb ist Performance vielleicht kein Genre, das vollständig vom Markt vereinnahmt werden kann, aber ich denke, dass es durchaus Strategien zur Marktanpassung gibt.
Und wie viel Kunst verträgt der Markt?
Ich habe bisher noch keine direkte Erfahrung im Kunstmarkt gesammelt, daher fällt es mir schwer, eine klare Antwort zu geben. Wenn ich jedoch aus der Perspektive meiner Praxis als Performancekünstlerin spreche, würde ich sagen: Performance ist für mich weniger ein Objekt für den Markt als vielmehr eine Möglichkeit – eine Gelegenheit, Menschen zu begegnen, Momente zu teilen und Beziehungen entstehen zu lassen. In diesem Sinne sehe ich Kunst nicht als etwas, das unbedingt in den Markt "passen" muss, sondern als etwas, das sich in anderen Formen der Begegnung und des Austauschs entfaltet.
Was ist etwas völlig Unvernünftiges, das Sie trotzdem sofort tun würden, wenn Geld keine Rolle spielt?
Ich weiß nicht, ob es wirklich unvernünftig ist, aber ich würde sofort ein Hin- und Rückflugticket nach Korea kaufen und wieder zurück nach Österreich fliegen.
Welche Vision haben Sie für Ihre Arbeit – oder für sich selbst – in zehn Jahren, die Sie (noch) niemandem erzählt haben?
In zehn Jahren möchte ich eine Performerin sein, die dazu beiträgt, die Performanceszene zu erweitern und mitzugestalten. Ich hoffe, dass ich ein Publikum einladen kann, Performances nicht nur zu genießen, sondern auch mit mir als Performerin in Interaktion zu treten. Eine Reaktion, die ich mir vom Publikum wünsche, wäre: „Ah, das war ein besonderer Moment, den wir gemeinsam geteilt haben.“ Es wäre mir eine große Freude, die Vielfalt der Performances in Österreich mit anderen zu teilen und diese auch in Korea bekannt zu machen und dort vorzustellen
Glauben Sie, dass Ihre Arbeit in Zukunft von künstlicher Intelligenz ersetzt werden könnte – und warum (nicht)?
Ich bin überzeugt, dass meine Arbeit nicht vollständig durch künstlicher Intelligenz ersetzt werden kann, weil der Kern meiner Performance in der unmittelbaren, körperlichen
Begegnung mit dem Publikum liegt. In Echtzeit reagiere ich auf subtile Emotionen – wie einen flüchtigen Blick, einen veränderten Atemrhythmus oder Gesichtsausdrücke – und trete in einen körperlichen Dialog mit dem Publikum. Intuitiv versuche ich, die körperliche Vibration von Präsenz zu erspüren, die nur in einem geteilten Raum erfahrbar ist. Daher sehe ich KI nicht als Ersatz, sondern als Chance, neue performative Formen zu entwickeln.
Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?
Ich erinnere mich an eine Gruppenperformance, an der ich teilgenommen habe. Bei Gruppenaufführungen ist es wichtig, dass sich die Performer:innen den Fokus teilen.
In diesem Fall war ich jedoch so sehr auf meine eigene Rolle konzentriert, dass ich unabsichtlich einen Moment überstrahlt habe, in dem eigentlich meine Kollegin im Mittelpunkt stehen sollte – ihr gesprochener Text ging durch meine Bewegung unter. Im Nachhinein war mir das unangenehm, weil ich den gemeinsamen Rhythmus gestört habe
Was wünschen Sie sich, dass Ihre Kunst bei anderen auslöst?
Ich wünsche mir, dass meine Arbeit ein Wendepunkt oder ein Auslöser für das Publikum ist – nicht im Sinne einer großen Veränderung, sondern als Einladung, sich einen Moment Zeit zu nehmen, um über sich selbst nachzudenken. Ich möchte weiterhin Arbeiten schaffen, die uns an Dinge erinnern, die wir vielleicht vergessen haben – an Erinnerungen oder Erfahrungen, die uns im Moment der Begegnung mit meiner Performance möglicherweise gar nicht bewusst gewesen wären.