
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Saure Gurken?
Kein Sommerloch wie damals
Wenn der Nationalrat pausiert und die Pressekonferenzen weniger werden, beginnt in den Medien das vielzitierte Sommerloch. Die Zeitungen werden dünner, die Themen in vielen Medien werden softer. Besonders beliebt in der "Saure-Gurken-Zeit": Sommerloch-Tiere, von Problembär Bruno bis zum bissigen Wels im Brombachsee. Politikerinnen und Politiker abseits der ersten Reihe nutzen diese Zeit auch gern, um aufzufallen und mit aufsehenerregenden Ideen Schlagzeilen zu machen. Aber ein Sommerloch wie damals - gibt es das angesichts der globalen Krisen überhaupt noch?
7. August 2025, 19:00
Wenn die Temperaturen steigen, heißt es für die Politik: durchatmen. Es gibt weniger Fixtermine, das Parlament ist in der tagungsfreien Zeit. In den Kalendern der Politik-Redaktionen stehen deutlich weniger Fixtermine – und damit schaffen es auch Themen in Zeitungen und Sendungen, die sonst wohl nur eine kleine Randnotiz wären. Wochenlang wurde heuer etwa über den aggressiven Wels im bayerischen Brombachsee berichtet.
War es eine Erfindung der Medien?
In politischen hektischeren Zeiten hätte es der Wels wohl deutlich seltener ins Blatt geschafft, glaubt auch Innenpolitik-Redakteur Maximilian Werner vom "Standard". Aber wirklich ruhig sei es angesichts der außenpolitischen Lage nicht – und werde es wohl auch nicht mehr so schnell werden. Das Sommerloch ist auch nicht wirklich messbar. Die langjährige Beobachterin der Innenpolitik, Anneliese Rohrer, ist sogar überzeugt: "Das Sommerloch ist eine Erfindung der Medien." Es habe nie so viele "Saure-Gurken-Zeiten" gegeben.
Seit einigen Jahren gebe es das Sommerloch nachweislich nur noch in abgeschwächter Form, stimmt Spiegel-Journalist Oliver Das Gupta zu. Die globalen Krisen, die vielen Ereignisse in der Außenpolitik, das alles führe zu mehr Nachrichten auch im Sommer. Und dazu komme: Politikerinnen und Politiker hätten die Angewohnheit entwickelt, im Sommer mit ungewöhnlichen Ideen für Aufsehen und damit für Schlagzeilen zu sorgen.
Die Spezialisten des Sommerlochs
Beispiele dafür finden sich in den Archiven genug: Vom verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bis zu Ex-Finanzminister Karlheinz Grasser haben Vertreter aller Parteien immer wieder gezielt für Schlagzeilen gesorgt, mit Forderungen wie "Bezirkshauptmannschaften abschaffen" oder dem Wunsch, den Bundespräsidenten zu entlassen. Ein Dauerbrenner im Sommer ist auch der Ruf nach Abschaffung des Bundesrats. 2005 etwa ließ mit der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller eine Vertreterin der Länder damit aufhorchen, dass sie die Länderkammer des Parlaments abschaffen will. Den Bundesrat gibt es selbstverständlich immer noch.
Vom Grün-Blinken bis zur "Normalität"
Auch über das Bargeld, über das Grün-Blinken der österreichischen Ampeln und die Frage "Was ist eigentlich normal?" wurde in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert. Eine innenpolitische Flaute gab es jedenfalls seit 2015 nicht mehr – es häufen sich die Krisen, auf die die Politik reagieren muss. An die Flüchtlingskrise vor zehn Jahren reihten sich mehrere Regierungskrisen. Im Juli 2017 übernahm Sebastian Kurz die ÖVP, zwei Jahre später stand der Sommer im Zeichen des Ibiza-Videos. Corona-Sommer folgten - und immer wieder: Sommer voller Wahlkämpfe.
Für Action war zuletzt also gesorgt, trotzdem kämpfen Redaktionen im Sommer immer wieder mit leeren Seiten oder nicht gefüllten Sendeminuten. Das liege aber auch daran, dass Medien immer mehr sparen müssten – und das mache sich in der klassischen Urlaubszeit eben doppelt bemerkbar, kritisiert Innenpolitik-Journalistin Anneliese Rohrer. Das Sommerloch entstehe quasi auch durch zu wenig Personal in den Redaktionen, oft gelinge es nicht, mehr als das Notwendigste abzudecken.
Tiergeschichten lassen durchatmen
Das Sommerloch sei freilich nicht nur negativ zu sehen, meinen der Innenpolitik-Journalist Maximilian Werner und die Gesellschafts-Journalistin Eva Sager. Beide sind erst seit einigen Jahren im Journalismus tätig. Sommer mit keinen News oder wirklich wenig News gab es in ihrer Berufszeit bisher nicht. Aber: wenn Fixtermine, die abgedeckt werden müssen, wegfallen, gebe es für Journalistinnen und Journalisten auch die Chance, kreativ zu werden und nach Geschichten zu graben, die sonst bei der Fülle an Themen liegen bleiben würden.
Daneben bleibt auch Platz für die echten "Sommerloch-Klassiker", die kuriosen Tiergeschichten, wie etwa den aggressiven bayerischen Wels oder das Pony, das vor wenigen Tagen durch Klagenfurt gelaufen ist – und eigentlich nichts Spektakuläres gemacht hat. Auch das gehöre zum Sommer, finden die beiden Journalisten: So können Publikum und Redaktionen auch ein wenig durchatmen.
Übersicht
- doublecheck - Fluch und Segen des Sommerlochs