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Im Gespräch | 10 09 2009
Willy Brandt
"Mehr Demokratie wagen". Walter Ausweger im Gespräch mit Willy Brandt, deutscher Bundeskanzler
24. Oktober 2025, 11:19
Das Gespräch mit Willy Brandt trägt zu Recht die Bezeichnung "historisches Tondokument". Es wurde erstmals im September 1989 - also vor zwanzig Jahren - ausgestrahlt. Damals war schon zu spüren, dass sich die Zeit der DDR ihrem Ende zu neigte. Seit 1. September waren Tausende ihrer Bürger über Ungarn und Österreich in den Westen geflohen. Als zehn Wochen später tatsächlich die Berliner Mauer fiel und die so genannte Wende begann, kommentierte Willy Brandt sie mit jenem Satz, der zum geflügelten Wort wurde: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört".
Willy Brandt hatte seine Partei bei den Wahlen 1972 zum größten Sieg ihrer Geschichte geführt. Für die Öffentlichkeit überraschend trat er zwei Jahre später - am 7. Mai 1974 - zurück. Sein Referent und Vertrauter Günter Guillaume war als DDR-Spion enttarnt worden. In seinem Rücktrittsschreiben erklärte er, mit diesem Schritt die Verantwortung zu übernehmen für "Fahrlässigkeiten" - ein Kanzler dürfe nicht erpressbar sein.
Ausführlich nahm Willy Brandt zu den Ereignissen um seinen Rücktritt mit einer Distanz von 15 Jahren in seiner Autobiographie Stellung, die er 1989 veröffentlichte. Anlässlich der offiziellen Präsentation seiner "Erinnerungen" entstand das folgende Gespräch, das der Journalist Walter Ausweger mit ihm geführt hat.
Willy Brandt war am 18. Dezember 1913 in Lübeck als uneheliches Kind mit dem Namen Ernst Karl Frahm geboren worden. Er wuchs bei seinem Großvater, einem sozialdemokratisch orientierten Knecht in Mecklenburg auf. Eine Freistelle ermöglichte den Abschluss des Gymnasiums, schon während der Schulzeit trat er der Sozialistischen Jugendbewegung bei und schrieb für eine SPD-Zeitung. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war er kurz im Untergrund tätig - wobei er den Namen Willy Brandt annahm. 1933 floh er in einem Motorkutter über die Ostsee, zuerst nach Kopenhagen, dann nach Norwegen. Nach Kriegsende war er unter anderem Korrespondent skandinavischer Medien bei den Nürnberger Prozessen, ehe er sich 1947 in Schleswig Holstein wieder einbürgern ließ. Er behielt den Namen Willy Brandt bei und begann seinen Aufstieg in der SPD. 1957 wurde er regierender Bürgermeister von Berlin - der er neun Jahre blieb, war Bundestagsabgeordneter und wesentlich an der Reform der SPD beteiligt. Sein innenpolitisches Credo fasste er einmal in dem Satz zusammen: "Mehr Demokratie wagen". Erst 1969 wurde Brandt - im dritten Versuch - deutscher Bundeskanzler.
Das Bild seines Kniefalls vor dem Mahnmal des Jüdischen Ghettos in Warschau ging um die Welt. Der Friedensnobelpreis, der ihm 1971 verliehen wurde, war Ausdruck der Anerkennung für Brandts Wirken im Sinne der Entspannungspolitik, die im eigenen Land nicht so geschätzt wurde wie im Ausland. Seine Ära ging 1987 mit dem Rücktritt vom Parteivorsitz zu Ende, doch zeigten zahlreiche Ehrungen wie groß sein Renommee bis zuletzt immer noch war.
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