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Hinein in die Propaganda-Bubble

Auf Einladung einer Liechtensteinischen Stiftung findet jedes Jahr in Hohenems ein etwas anderer Journalisten-Kongress statt. Nicht nur alteingesessene Medien sind dabei, vertreten sind auch neue rechte Krawall-Medien, die wegen ihrer tendenziösen und teils hetzerischen Berichte in der Kritik stehen. Es geht um ihre Anerkennung als journalistische Medien. Dieses Kalkül scheint zumindest teilweise aufzugehen.

"Raus aus der Bubble" war das Motto des Journalisten-Kongress, der Mitte Oktober in Hohenems in Vorarlberg zum vierten Mal auf Einladung der Libertatem Stiftung stattgefunden hat. Zu den Vortragenden zählte diesmal etwa die deutsche Autorin Birgit Kelle, die über Versäumnisse der Medien während der Corona-Zeit referierte, und die Publizistin Gudula Walterskirchen, die über die ihrer Meinung nach verschwimmenden Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus sprach.

"Rechte Kulturkämpfer" mischen auch in Österreich mit

Auch mehrere Vertreter vom deutschen Nachrichtenportal "Nius" waren in Vorarlberg. Die stellvertretende Chefredakteurin von "Nius" Paulina Voss nützte das Podium, um gegen die Öffentlich-Rechtlichen zu wettern, die in Deutschland zu einer "linken Manipulationsmaschinerie" geworden seien. Ein anderer Reporter von "Nius" machte in seinem Referat klar, dass er mit der Beschreibung "rechter Kulturkämpfer" kein Problem habe. Bei "Nius" sei man für Migrationskritik, gegen grüne Wirtschaftspolitik und gegen den "Regenbogen-Kult", der zu einer "Zivilreligion" geworden sei, hieß es.

Mit "Nius" hat der Kongress ein Nachrichtenportal eingeladen, das auch in Österreich mitmischt. Seit Jahresanfang ist das Medienunternehmen mit Chefredakteur Julian Reichelt Mehrheitseigentümer beim österreichischen "Exxpress", dem Portal von Eva Schütz, an dem auch die Libertatem-Stiftung mittlerweile nur noch einen kleinen Anteil hält.

Libertatem-Stifter weiter anonym

Rund 100 Gäste hat die Veranstaltung Mitte Oktober in Hohenems gelockt. Der Eintritt war frei. Ein Geschäftsmodell ist der Kongress nicht. Die Liechtensteiner Stiftung ist gemeinnützig und verfolgt offenkundig ganz andere Ziele, nämlich laut eigenen Angaben die Förderung von kritischen Journalismus und der Medienvielfalt. Nur wer der Stifter im Hintergrund ist, das bleibt weiter im Verborgenen. Für Gernot Hämmerle ist das kein Problem. Hämmerle war früher Journalist beim ORF Vorarlberg, jetzt organisiert er den Journalisten-Kongress der Stiftung. "Es ist der Wille, dass sein Name nicht genannt wird. Er spendet Geld für einen guten Zweck, nämlich die Meinungsfreiheit zu fördern", so Hämmerle.

Die Journalistin Barbara Tóth vom "Falter" ortet hingegen Intransparenz. "Medien, hinter denen sich Liechtensteiner Stiftungen verstecken - das macht einfach kein gutes Bild." Tóth konnte zumindest so viel herausfinden: Ein politisch unauffälliger Tourismus-Unternehmer, der mittlerweile verstorben ist, dürfte wohl der spendable Financier von einer Million Euro Stiftungsvermögen gewesen sein. Bestätigen will das aber niemand.

Milliardär sponsert rechte Portale

Sehr wohl bekannt ist der Name Frank Gotthardt. Der deutsche IT-Milliardär ist eine der zentralen Figuren eines Netzwerkes, das die neuen rechten Medien in Österreich und Deutschland sponsert. Ein Netzwerk, in dem auch das Umfeld von Ex-Kanzler Sebastian Kurz aktiv ist und das ins Ungarn des Viktor Orbán reicht. "Wie Nius und Exxpress die rechts-rechte Wende vorbereiten" lautete jüngst der Titel einer Recherche im "Standard" dazu. Journalist Fabian Schmid spricht von Portalen, die "offensichtlich stark in der gesellschaftlichen Debatte mitmischen wollen". Zuletzt war "Nius" zum Beispiel Teil einer Kampagne, die die SPD-Kandidatin für das Amt der Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf verhinderte.

Kongress-Teilnahme löst Debatte aus

Schmid hat auch über den Kongress in Hohenems berichtet und darüber, wer dort überraschend aufgetreten ist. Er sieht die Sache differenziert. Diskurs sei gut, andererseits schmücke sich die Stiftung natürlich mit den teilnehmenden Personen. "Eine Aufwertung und Legitimierung findet sicher auch statt."

Gemeint ist unter anderem Falter-Journalistin Barbara Tóth. Sie saß auf einem Podium bei dem Kongress und kennt die Debatte. "Das ist eine Gefahr und der bin ich mir auch bewusst. Ich glaube, es war nicht so, weil ich am Podium meine Redezeit dazu genutzt habe, klarzustellen: Es gibt keinen linken oder rechten Journalismus. Es gibt nur handwerklich professionellen und handwerklich nicht professionellen Journalismus." Eine Unterscheidung, die vor dem Vorarlberger Publikum auf wenig Zustimmung traf, erzählt Tóth.

"Ich lade grundsätzlich Leute aus allen politischen Richtungen ein, das ist das Ziel", sagt Organisator Hämmerle. "Mich wundert es immer, ehrlich gesagt, dass man immer das Gefühl hat, Leute, die links der Mitte sind, die müssen sich vor ihren Lesern rechtfertigen, wenn sie mit Leuten, die politisch rechts der Mitte sind, reden."

Die Spuren, die Corona hinterlassen hat

Auch Michael Prock, Politik-Chef bei den "Vorarlberger Nachrichten", hat auf dem Kongress mitdiskutiert. Miteinander sprechen, das sei wichtig, ist Prock überzeugt. "Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass viele diese Plattformen lesen. Warum ist "Nius" für viele Menschen attraktiver als die Vorarlberger Nachrichten oder der ORF? Um das zu verstehen, muss man natürlich miteinander reden."
Eine Antwort, die Prock gefunden hat: Die Pandemie wirke immer noch nach. "Ich glaube, diese Medien wissen das zu nutzen." Barbara Tóth beschreibt eine "apokalyptische" Stimmung in Hohenems, geprägt von der Corona-Pandemie und einer Skepsis gegenüber Eliten.

Anders hat den Kongress Daphne Hruby wahrgenommen. Die freie Journalistin, die hauptsächlich für Ö1 arbeitet, war zum zweiten Mal dabei und wollte die Gelegenheit nutzen, mit jenen zu reden, die das Vertrauen in die traditionellen Medien verloren haben. Und das sei auch dankbar aufgenommen worden. "Wenn alle nur noch sich in ihrer eigenen Blase bestätigen und bewegen, dann wird er überhaupt nicht mehr reflektiert. Und das halte ich für ein Problem", sagt Hruby. Dialog auf Augenhöhe sei ihr wichtig.