Andreas Babler

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Regierungsinserate und Medienförderung

Babler fordert die Branche heraus

"Dieser Herbst hat gezeigt, wozu der Boulevard fähig ist, wenn man ihm Geld entziehen will", bringt es Harald Fidler, der Medien-Ressortleiter des "Standard" auf den Punkt. Gemeint sind wüste Angriffe gegen Medienminister Andreas Babler, der die Regierungsinserate zurückfahren und die Medienförderung stärker nach Qualitätskriterien gestalten will. Der SPÖ-Chef muss sich auf noch mehr gefasst machen.

"Babler wird zum Totengräber der Medien", schrieb oe24. "Wie sich Babler bei Medien blamiert", hieß es in der Gratiszeitung "Heute". Und die "Kronen Zeitung" - beide Blätter sind in den Händen der Familie Dichand - kampagnisiert seit Wochen gegen den SPÖ-Chef und schießt mit allem, was ihr unterkommt. Etwa mit dem Witz: In den SPÖ-Landesorganisationen würden immer mehr Spitzen-Funktionäre BMW fahren, BMW als Abkürzung für: "Babler muss weg."

Den Herbststürmen des Boulevard ausgeliefert

Für "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher ein altes Muster, ihn erinnert das an die Demontage von Erhard Busek als ÖVP-Obmann. "Den hat die "Kronen Zeitung" zu Fall gebracht, wegen des Leseturms im Museumsquartier, der einem großen Inserenten da im Wege stand. Die Funktionäre haben es einfach nicht mehr ertragen, dass der mürbe gemacht wurde, um dann schließlich zu beschließen, dass der nicht mehr tragbar ist. So funktioniert es. Das funktioniert nach wie vor, glaube ich."

Es war und ist die Angst der Politiker, die dem Boulevard Macht verleiht, weiß Harald Fidler, Medienressortleiter beim "Standard": "Wenn man sich vor "Krone"-Schlagzeilen nicht so fürchtet wie viele Politikerinnen und Politiker in Österreich, oder vor "Heute"- oder vor "oe24"-Schlagzeilen, dann ist diese Macht auch nicht ganz so groß."

Die Fellners und die Dichands haben immer schön von Regierungsinseraten profitiert, gegen beide Verleger-Familien laufen Ermittlungen wegen Inseraten-Korruption. Sie bestreiten die Vorwürfe der Bestechung und Bestechlichkeit vehement. Mittlerweile hat der Oberste Gerichtshof grünes Licht für Detail-Ermittlungen gegen die Fellner- Brüder gegeben. Der Fall, in dem auch Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz als Beschuldigter geführt wird, zieht sich.

Andreas Babler

Medienminister und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) anlässlich der 32. Österreichische Medientage im September 2025

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Ermittlungen zur Inseraten-Causa als Auslöser

Für Medienminister Andreas Babler ist diese Inseraten-Causa das zentrale Argument, warum er weniger Geld für Regierungswerbung ausgeben und die Medienförderung stärker nach Qualitätskriterien ausrichten will. Für den Boulevard ist das ein rotes Tuch, aber die SPÖ-Führung bleibt nach außen hin gelassen. Bundesgeschäftsführer und Mediensprecher Klaus Seltenheim: "Wir nehmen zur Kenntnis, dass in der Politik und auch in der Berichterstattung mit harten Bandagen gekämpft wird." Die Partei stehe aber voll hinter dem Medienminister, dass nicht mehr wie früher "über Inserate Politik gemacht wird". Seltenheim kann sich sogar eine Deckelung von Regierungsinseraten "sehr gur vorstellen".

Gefordert wird so ein Deckel von der Initiative "Acht Tische für die vierte Gewalt". Es war eine Art paradoxe Intervention, organisiert von der "Datum"-Stiftung, die die üblichen Lobbying-Strukturen der Medienbranche für zwei Tage über den Haufen geworfen hat. Medienmanager, Verleger und Journalisten, Politiker, Juristen und Medienwissenschafter - alle haben miteinander auf Augenhöhe diskutiert. Nicht alle Eingeladenen - darunter die Dichands und Fellners, Vertreter der Styria-Gruppe haben in letzter Minute abgesagt - sind gekommen.

SPÖ kann sich Inseraten-Deckel "gut vorstellen"

Mit-Organisatorin Gabriela Bacher über die Positionierung in Sachen Inserate: "Wir plädieren dafür, dass das Volumen dieser Werbeausgaben auf ein europäisches Durchschnittsniveau zu senken ist und die eingesparten Mittel für die Aufstockung der Medienförderung verwendet werden." Gefordert wird eine Medienförderung aus einem Guss, die nach messbaren Kriterien von möglichst staatsfernen Gremien vergeben wird. Sie soll zukunftsorientiert sein, auf Resilienz achten und neue Formen des Journalismus voranbringen.

Will hier jemand den alten Lobby-Gruppen die Zügel aus der Hand nehmen? Gabriela Bacher, sie ist eine Tochter des legendären ORF-Chefs Gerd Bacher, sagt nein: "Wir wollen niemandem die Zügel aus der Hand nehmen, Aber wir glauben eben, dass die Medien nicht unbedingt nur sozialpartnerschaftlich vertreten sein sollten, sondern dass die, die sie machen und die, die sie konsumieren, sich gemeinsam über die Zukunft des Journalismus den Kopf zerbrechen können und sollen."

Zeitungsdruck

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Zeitungsverband auf Distanz zu neuer Initiative

Der angesprochene Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) war durch Geschäftsführer Gerald Grünberger vertreten, ein mit allen Wassern gewaschener Interessenvertreter, der schon fast ein Dutzend Medienminister überdauert hat. Auch Grünberger sieht die "Acht Tische" nicht als Konkurrenz und meint selbstbewusst: "Beim VÖZ sind die Medienunternehmen versammelt, die den Großteil der Wertschöpfung in diesem Land erbringen und auch Beschäftigung schaffen." Entsprechend schnell, noch am Abend seiner Heimkehr, hat sich Grünberger denn auch vom Forderungspapier distanziert. Das meiste sei rechtlich nicht umsetzbar und praxisfern, schrieb er.

Für die Grüne Mediensprecherin Sigrid Maurer, die in der Koalition mit der ÖVP heiße Themen wie die ORF-Haushaltsabgabe und die Qualitätsjournalismus-Förderung federführend verhandelt hat, ist das typisch für den Zeitungsverband. "Ich finde, es war ein guter Impuls, und ich finde es leider bezeichnend, dass die erste Reaktion des VÖZ schon wieder war: so ein Blödsinn." Das sei hart gegenüber all den engagierten Leuten, die dort mitdiskutiert haben. NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter zeigt hingegen Verständnis, es seien eben nicht alle auf Augenhöhe gewesen, "das kann nicht immer gelingend sein".

Grüne Maurer sieht "große Beharrungskräfte"

Die Grüne Maurer sieht das komplett anders: "Es ist so, dass in der Branche große Beharrungskräfte bestehen, die Innovationen nicht zulassen. Und die alten Medien unter Anführungszeichen sind sehr damit beschäftigt, sich selber zu retten und den Status quo irgendwie noch abzusichern." Die alten Medien, damit sind vor allem die Tageszeitungen gemeint, die aktuell mit enormen Schwierigkeiten kämpfen. Print ist längst ins Auge des digitalen Sturms geraten, eine Welle von Kündigungen geht durch die Redaktionen.

Die "Kleine Zeitung" und "Die Presse" gehören der kirchen-nahen Styria-Gruppe, der "Kurier" gehört Raiffeisen. Die meisten österreichischen Zeitungen stehen im Eigentum von Verleger-Familien, das gilt für die Boulevard-Blätter, aber auch für Landeszeitungen wie "Salzburger Nachrichten", "Oberösterreichische Nachrichten", die "Vorarlberger Nachrichten" von Eugen Russ und die "Tiroler Tageszeitung" der Familie Moser. Germeinsam seien die regionalen Verleger stark, sagt Harald Fidler.

Die große Macht der regionalen Verleger

Russmedia hat in Vorarlberg eine übermächtige Stellung, daran hat sich sogar die "Krone" die Zähne ausgebissen. Armin Thurnher: "Ich kann mich erinnern, dass Eugen Russ plötzlich medienpolitisch hellhörig wurde, als die "Kronen Zeitung" nach Vorarlberg gedrängt ist, und hat dann sozusagen Verbündete gesehen in allen, die das Monopol oder Oligopol der "Kronen Zeitung" kritisierten." Das ist paradox, weil die "Krone" im Vergleich zum Russ-Imperium regelrecht verblasst.

Eugen Russ hat seine regionale Stärke auch immer wieder in Wien einzusetzen gewusst. Ihm gehört auch die "Neue Vorarlberger Tageszeitung", die als Konkurrenzblatt gegründet und von Russ dann aufgekauft wurde. Vor zehn Jahren wollte SPÖ-Medienminister Josef Ostermayer die damalige Presseförderung mit dem Qualitätskriterium von mindestens 17 angestellten Redakteurinnen und Redakteuren verknüpfen. Die "Neue" hatte nur zwölf und hätte die Förderung verloren. Doch Russ ließ seine Kontakte in die ÖVP spielen, und Ostermayer fiel um. Zwölf Journalistinnen und Journalisten waren plötzlich auch genug.

Achsen und Standleitungen zu den Parteien

Die Episode bestätigt die Wahrnehmungen des langjährigen Beobachters Harald Fidler: "Die Regionalverleger haben traditionell auch eine stärkere Achse zur ÖVP, beim Boulevard hat sich die Achse zur ÖVP mit Sebastian Kurz sehr verstärkt." Früher habe man eher den Eindruck gehabt, dass der Boulevard zur SPÖ tendierte. "Krone"-Gründer Hans Dichand hat sich einmal sogar zu einem Dementi veranlasst gesehen, als das Gerücht herumging, SPÖ-Kanzler Werner Faymann sei sein Sohn. Faymann hatte quasi eine Standleitung zur "Kronen Zeitung", wie später eben auch Sebastian Kurz von der ÖVP.

Der echte Sohn Christoph Dichand hat jetzt den Wunschtraum seines Vaters Wirklichkeit werden lassen. Er hat die "Krone"-Anteile der deutschen Funke-Gruppe zurückgekauft. Erstmals ist die Zeitung in alleiniger Hand der Familie. Christoph Dichand besitzt jetzt die Mehrheit an der "Krone", sein Bruder Michael hält den Rest. Was bedeutet das medienpolitisch? Noch einmal Harald Fidler vom "Standard": "Ich glaube, Christoph Dichand wird durch diese Komplettübernahme zu einer noch gewichtigeren Stimme in Österreichs Politik als er ohnehin schon war."

Funke-Deal gibt den Dichands noch mehr Gewicht

Dichand war nicht für ein Interview zu gewinnen, er habe jetzt andere Prioritäten als die Pläne des Medienministers, war in seinem Umfeld zu erfahren. Auch Wolfgang Fellner konnte es nicht einrichten, er war zum Zeitpunkt der Anfrage auf dem Weg in sein US-Domizil in Malibu. Und "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand ließ ausrichten: Eine Neuregelung der Medienförderung dürfe zu keiner weiteren Marktverzerrung führen, der Medienminister sei gut beraten, nationale und europarechtliche Wettbewerbs-Richtlinien im Auge zu behalten, da andernfalls lange juristische Auseinandersetzungen drohten.

Stichwort Wettbewerbs-Richtlinien: Tatsächlich dauert die Umsetzung medienpolitischer Vorhaben auch deshalb oft so lang, weil die EU-Kommission ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Sie muss solche Gesetze notifizieren, heißt das in der Fachsprache. Förderungen dürfen auf keinen Fall diskriminieren. "Das Beihilfenrecht ist ein potenzieller Stolperstein für nationale Gestaltungsmöglichkeiten. Aber es ist nicht unüberwindbar", sagt der Medienjurist Hans Peter Lehofer. Vor allem sei es auch keine Ausrede gegen mutige Medienpolitik.

Die wichtige Rolle Brüssels in der Medienpolitik

Als nächstes wird die EU-Kommission über die neue Zustellförderung entscheiden müssen, 25 Millionen Euro sind dafür budgetiert, dass gedruckte Zeitungen auch in abgelegenen Gebieten zugestellt werden können. Ein lang gehegter Wunsch des Zeitungsverbands wird damit erfüllt, und es werden alle - von Russ bis Dichand - etwas davon haben. "Kein Idealzustand", räumt VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger ein, aber es sei eine Notmaßnahme gegen Marktversagen.

Mehr Fördergeld wollen auch die Privatsender. Das Lobbying macht hier der Verband der Privatsender (VÖP). Frage an Geschäftsführerin Corinna Drumm: ist das der kleine Bruder vom VÖZ? "Als kleinen Bruder kann man uns natürlich nicht bezeichnen, weil das ein ganz anderes Segment ist mit anderen Zielrichtungen. Aber insgesamt kämpfen wir alle miteinander für den Erhalt der Unabhängigkeit." Drumm drängt auf Kooperationen, der ORF müsse die Privaten stärker unterstützen. Beim Vorsitzenden des Stiftungsrates, Heinz Lederer, rennt sie damit offene Türen ein. Es seien dafür aber gesetzliche Änderungen erforderlich, sagt Lederer.

Alle wollen Kooperation, aber wie soll sie aussehen?

Kooperation, das wollen alle. Die Frage ist: wie weit soll die gehen und mit welchem Ziel? "Falter"-Gründer Armin Thurnher sieht in einer Aufwertung der Öffentlich-Rechtlichen die einzig mögliche Antwort auf die Übermacht der Tech-Plattformen. "Die BBC ist unter Beschuss. Und zwar aus parteipolitischen Gründen von innen heraus. In der Schweiz wird die SRG zum Extremsparen gezwungen, und wird so verkleinert. Dabei wäre das die einzige Möglichkeit, in einer relevanten Größenordnung gegen die Social Media Publizistik dagegen zu halten. Dafür müsste man auch den ORF entsprechend reformieren."

Und die Parteipolitik müsse endlich raus aus den ORF-Gremien, sagt Thurnher mit Blick auf den SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer. Der tritt neuerdings immer großkoalitionär im Tandem mit seinem ÖVP-Pendant Gregor Schütze auf - was die dritte Regierungspartei NEOS argwöhnisch beobachtet. Lederer wird unwirsch, wenn man das Thema Parteipolitik anspricht. "Wer immer das sagt, ist fixiert!" Der Stiftungsrat versuche, gemeinsam eine aktive Rolle einzunehmen, "ohne Rücksicht auf irgendwelche koalitionäre oder sonstige Bande", sagt Lederer.

Die Sehnsucht nach europäischen Lösungen

VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm drängt auch auf eine faire Regulierung der großen Plattformen: "Da gibt es sehr viele Bereiche, wo wir Handlungen erwarten, sowohl auf EU Ebene als auch national", sagt sie. Für die Filmproduzentin Gabriela Bacher, die jahrzehntelang in Los Angeles gelebt und gearbeitet hat und wegen des Trump-Regimes nach Österreich heimgekehrt ist, liegt der Schlüssel jedenfalls in Europa: "Das ist natürlich eine unheimliche Enttäuschung, was in Amerika gerade vor sich geht. Und deswegen ist Europa so wichtig. Wir müssen an europäischen Lösungen arbeiten und uns darauf besinnen, dass freie Medien ein hohes Gut sind."