Symbole diverser Social-Media-Platformen

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"Digital Services Act" der EU greift noch nicht

Lockrufe und Drohungen aus den USA

Seit dem Vorjahr ist der "Digital Services Act" der Europäischen Union in Kraft. Er soll eine Handhabe gegen Hassposter und Desinformation auf den großen US-Plattformen im Internet bieten, es sind auch sehr strenge Strafen für diese Tech-Giganten bei Verstößen vorgesehen. Doch der DSA wirkt nicht. Der Hintergrund: die Europäische Kommission steht unter Druck des Trump-Regimes, das mit Gegenmaßnahmen droht und gleichzeitig mit niedrigeren Zöllen lockt, wenn die EU die Regeln verwässert.

Der Digital Services Act sieht Strafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes für große Plattformen vor, wenn es zu Verstößen kommt. Das wären etwa im Fall von X - vormals Twitter - Milliarden. Aber die Europäische Kommission greift nicht ein. ZIB2-Moderator Armin Wolf hat eine Ahnung warum: "Man könnte auf die Idee kommen, dass es damit zu tun hat, dass sich die EU ein wenig vor den Folgen fürchtet, weil Herr Trump ja bekanntermaßen das nicht so wahnsinnig lustig findet." Und mit NATO-Austritt, höheren Zöllen und allem Möglichen droht.

Armin Wolf

Armin Wolf

ORF/THOMAS RAMSTORFER

ZIB2-Anchor Wolf hat Plattform X zweifach verklagt

Armin Wolf wollte einen Hassposter auf X ausfindig machen und hat die Plattform zweifach verklagt, bisher vergeblich. Irland, wo X seinen Sitz in Europa hat, schaut weg, die EU-Kommission schaut zu. Obwohl sie den Mitgliedstaat wegen Missachtung der EU-Regeln - in diesem Fall des DSA - vor den Europäischen Gerichtshof bringen könnte, wie der Medienjurist Hans Peter Lehofer erklärt: "Unionsrecht muss auch effektiv durchgesetzt werden. Das ist ein langer Weg, und es wird sehr schwierig sein. Aber es ist sozusagen ein Mechanismus, der möglich ist." Auch ein anderer Mitgliedsstaat wie Österreich könnte den auslösen, was freilich sehr ungewöhnlich wäre, so Lehofer.

"Kommission könnte das zu Chefsache machen"

Internet-Expertin Ingrid Brodnig sieht noch einen Hebel: "Die EU-Kommission hätte durchaus Möglichkeiten, die nationale Behörde so ein bisschen auszubremsen und so was quasi zur Chefsache zu machen. Das ist eigentlich das Praktische am Digital Services Act in vielerlei Hinsicht. Man muss jetzt aber schauen: Wird die Kommission diese Möglichkeiten stärker nutzen oder bleibt sie eher so zurückhaltend, wie es scheint?"

Brodnig nennt ein aktuelles Beispiel dafür, wie die US-Administration in der Sache Druck gegen Europa aufbaut. "Gerade jetzt hat der US-Handelsminister der EU nahegelegt, die digitalen Regeln zu überarbeiten, quasi davon abzurücken, weil dann könnte man quasi einen besseren Deal in Richtung Stahl- und Aluminiumzölle bekommen. Also Europa wird derzeit von den USA wirklich ausgerichtet: Schraubt eure Tech-Regeln zurück und ihr kriegt bessere Deals rund um diese Zölle!"

Ingrid Brodnig

Ingrid Brodnig

APA/GEORG HOCHMUTH

Brodnig: Umsetzung auf allen Ebenen einfordern

Noch sei unklar, wie es weitergeht, sagt Ingrid Brodnig. Es würden einige Verfahren auf Basis des Digital Services Act laufen, aber sie seien eben auf der langen Bank. "Ich finde es total super, dass zum Beispiel Armin Wolf auch Anzeige in Österreich eingebracht hat. Und in Deutschland ist es so, dass es auch ein Verfahren gibt, das die Staatsanwaltschaften dort angetrieben haben, weil die Userdaten nicht rausgerückt werden. Es ist wichtig, dass auf allen möglichen Ebenen versucht wird, Verantwortung von den Plattformen einzufordern." Das müsse thematisiert werden, damit Brüssel sich nicht weiterhin vor der Umsetzung drücken kann.