Lothar Parzeller
Podcast
Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an den Mauerfall denken? Das Jahr 1989 vermutlich, als in der Nacht vom 9. November auf den 10. November tausende Berlinerinnen und Berliner in den Westen strömten. Oder noch früher, am 27. Juli, als der österreichische Außenminister Alois Mock den Eisernen Vorhang an der ungarischen Grenze mit einer Drahtschere durchtrennte. Kaum jemand denkt an das Bild, mit dem die Podcast-Serie „Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall“ der österreichischen Journalistin Franziska Tschinderle und der deutschen Journalistin Anja Troelenberg beginnt.
4. November 2024, 07:12
Lothar Parzeller
Diese neue Serie erzählt, wie der letzte kommunistische Staat Europas die Freiheit erlangte.
Hier abonnieren
sound.ORF.at - Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall
Albanien ist im Juli 1990 die letzte stalinistische Diktatur Europas, die Menschen leben völlig abgeschottet von der Außenwelt. Aber dann, am Abend des 2. Juli 1990, bekommt dieses abgeriegelte System Risse. Ein LKW kracht plötzlich gegen die Mauer der bundesdeutschen Botschaft im Zentrum von Tirana. Durch das Loch in der Mauer strömen Menschen. Jahrzehntelang waren sie eingesperrt gewesen. Jetzt hat sich ein Fenster aufgetan.
Auch nach dem Fall der Berliner Mauer blieb Albanien weiter isoliert, vergleichbar mit Nordkorea heute. Bis Anfang der 1990er Jahre standen hier Stalin-Statuen. Nur wenige Privilegierte durften das Land verlassen. Wer es trotzdem versuchte, riskierte, erschossen oder jahrelang inhaftiert zu werden.
Doch im Sommer 1990 gibt es leichte Lockerungen, die rund drei Millionen Bürgerinnen und Bürger der sozialistischen Volksrepublik dürfen sogar die Fußballweltmeisterschaft im Fernsehen verfolgen. Und Deutschland - damals kurz vor der Wiedervereinigung - ist dabei, Weltmeister zu werden.
Politthriller am Ende des Kalten Krieges
Die Nachricht von dem Loch in der deutschen Botschaft verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Immer mehr Menschen klettern über die Mauer, um politisches Asyl zu beantragen. Auf einer Fläche von rund 3.500 Quadratmetern drängen sich bald mehr als 3.000 Menschen, darunter auch Kinder. Das kommunistische Regime dreht ihnen kurzerhand das Wasser ab. Es gibt nicht genug zu essen, Krankheiten drohen, sich auszubreiten. In der Nacht ist es kalt im Garten, am Tag steigen die Temperaturen auf über dreißig Grad. Eine Frau bringt ihr Kind zur Welt - ohne Ärztin oder Hebamme.
Die Serie „Die Botschaft“ dokumentiert in fünf Teilen, was sich damals im Garten zugetragen hat und welche Rolle deutsche Diplomaten beim Sturz des letzten kommunistischen Regimes Europas spielten.
Intensive Recherchen
Die Autorinnen Tschinderle und Troelenberg haben ein Jahr lang recherchiert, um die Geschichte der Botschaftsbesetzung zu erzählen. Aus nächster Nähe. Beide leben seit Jahren in Albanien. Sie haben den LKW-Fahrer gefunden, der damals gegen die Mauer krachte. Sie reisen nach Berlin, um die Akten des Auswärtigen Amtes einzusehen. Und nach Rom, um einen jungen deutschen Polizisten zu interviewen, der die Ereignisse mit seiner analogen Kamera dokumentierte. Sie recherchieren den tragischen Tod eines 17-Jährigen, der auf der Flucht vom Geheimdienst getötet wurde.
Die Podcast-Serie „Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall“ ist ein Politthriller am Ende des Kalten Krieges. Er erzählt, wie das Leben Tausender Menschen eine neue Wendung nimmt, weil eine Handvoll westlicher Diplomaten den Mut hatte, für sie einzustehen.
Ilir Tsouko
Franziska Tschinderle (li.) und Anja Troelenberg (re.)
Franziska Tschinderle hat Zeitgeschichte studiert und arbeitet als Journalistin mit dem Schwerpunkt Südosteuropa. Sie lebt seit 2022 als Korrespondentin in Tirana und schreibt für das Nachrichtenmagazin „profil“ sowie weitere, deutschsprachige Medien. Co-Autorin des Serien-Podcasts „Call me Günther“ (2023).
Anja Troelenberg studierte Politikwissenschaft und Südosteuropastudien an der Universität Regensburg und Historische Urbanistik an der TU Berlin. Für die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitete sie zunächst in Sarajevo und ab 2019 in Tirana. Seit 2022 berichtet sie als freie Autorin aus ihrer Wahlheimat Albanien.
Service
Der Podcast „Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall“ ist ab 4. November zu hören - auf ORF SOUND, in der Deutschlandfunk App und überall, wo es Podcasts gibt. Die 5-teilige Serie wird auch im „Radiokolleg“ vom 4. bis 7. November und in den „Hörbildern“ am 9. November ausgestrahlt, jeweils um 9:05 Uhr. In den "Hörbildern" bringen wir auch ein Studiogespräch mit den beiden Autorinnen über ihre Recherche.
Ko-Produktion Deutschlandfunk/ORF 2024
Gestaltung: Franziska Tschinderle und Anja Troelenberg
Redaktion Deutschlandfunk: Christiane Habermalz
Regie: Roman Ruthard
Redaktion ORF: Ina Zwerger, Monika Kalcsics
Text: Franziska Tschinderle, Anja Troelenberg
Deutschlandfunk - Podcasts