Gedanken für den Tag

"Jerusalem - Botschaften einer Stadt" von Wolfgang Treitler

Wolfgang Treitler ist Fudamentaltheologe an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Jerusalem, die Stadt des Königs David, ist Hauptstadt Israels und von großer Bedeutung für Judentum, Christentum und Islam. Jerusalems Botschaften gingen stets auch die Welt etwas an und sind heute vielleicht aktueller denn je: Es sind Botschaften der Offenheit, der freien Tage und des religiösen Lebens. Gestaltung: Alexandra Mantler

Oskar Schindler

Vor 60 Jahren, im Juli 1950, wurde vom israelischen Parlament in Jerusalem das Gesetz beschlossen, dass jeder Mensch jüdischen Glaubens das Recht hat, in Israel zu leben. Und im Jänner 1950 erklärte die Knesset Jerusalem zur Hauptstadt Israels. Doch dort in Jerusalem liegt auch ein prominenter Nichtjude begraben, der als "Gerechter der Völker" geehrte Oskar Schindler.

Steven Spielberg hat ihm mit seinem Film "Schindlers Liste" ein Denkmal gesetzt; in Yad Vashem steht ein Baum in der "Allee der Gerechten", der an ihn und seine Frau erinnert; und südlich der Altstadt von Jerusalem findet sich sein Grab. Schindler wollte in Jerusalem begraben sein. Seine Lebensgeschichte hat ihn dorthin getragen.

Schindler war kein Intellektueller, kein Held, keiner von denen, die man heute zu den Besten der Besten rechnen würde; aber er war einer, der in einer entscheidenden Stunde begriffen hat, was läuft und was von ihm gefordert ist. Durch sein Unternehmen hat er 1200 Jüdinnen und Juden in der Zeit des Shoa das Leben gerettet.

So trifft man in Jerusalem auf einen gerechten Menschen, der einem stumm zu verstehen gibt: Intellektualität schützt vor Barbarei nicht. Niemand kann gewährleisten, dass die Besten der Besten, die man heute in unserer irrsinnigen Zeit für die Retter vor allen Krisen hält, nicht doch den Terror perfektionieren, weil sie zwar unheimlich gescheit, aber ethische und religiöse Analphabeten sind. Auch das Naziregime lebte von solchen Besten der Besten und organisierte den Tod massenweise.

Ein Zweites: In Zeiten der universalen Konkurrenz heute kann Oskar Schindler zu einem eindeutigen Boten der Mitmenschlichkeit werden: Denn er hatte nichts von den Menschen, denen er das Leben gerettet hat. Sie waren weder angesehen noch reich noch wichtig, hatten keine Netzwerke und keine Lobbys. Und doch hat er ihnen geholfen.

Ein Letztes: Eine sichtbare Sehnsucht nach Jerusalem lebte in Oskar Schindler. Dort fand er seine Ruhe, seinen Frieden. Jerusalem wurde ihm zur Stadt des Friedens, wie sie ja auch heißt. Ein Frieden, der über die Zeit hinausreicht. Das hat ihm Jerusalem geschenkt, und das schenkt er denen, die ihn dort besuchen: Frieden und Ruhe.

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