Gedanken für den Tag
"Migration und Religion" von Michael Bünker, evangelisch-lutherischer Bischof
31. August 2010, 06:57
"Geh aus deinem Vaterland und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will" (1 Mose 12, 1).
Wenn Menschen ihre Heimat verlassen haben, welche Bedeutung hat dann Religion für sie in der neuen Heimat? Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker spricht in den "Gedanken für den Tag" über den Glauben, der mitgeht und trägt, auch und gerade wenn sich Menschen mit den Herausforderungen und Veränderungen, die der Aufbruch in eine neue Heimat mit sich bringt, konfrontiert sehen.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.
Außerhalb der Kirche werde ich ständig bloß eine Migrantin sein, erzählt Rita aus Litauen, die schon seit Jahren in London lebt. Ich werde oft gefragt, wie lange ich noch hierbleiben will, sagt sie, und ob es nicht schon Zeit ist, dass ich wieder nach Hause zurückkehre.
Aber Rita hat in England längst ihre Heimat gefunden. Sie hat dort studiert, sie arbeitet dort, sie hat dort ihren Mann Vidas kennen und lieben gelernt. Ein koreanisches Sprichwort sagt: Wenn man in der Fremde zu lieben beginnt, wird die Fremde zur Heimat. So leben nun Rita und Vidas mit ihrer Tochter in der Fremde und sind doch genau dort daheim.
Ihr Leben in der christlichen Gemeinde hat ihnen dabei geholfen. Sie haben entdeckt, wie wichtig der christliche Glaube für sie ist und wollen ihre Umgebung, die säkulare Gesellschaft mit ihrer Liebe zu Gott beeinflussen und prägen. Durch ihre Bereitschaft, am Leben der Aufnahmegesellschaft teilzunehmen und sich der neuen Kultur positiv zu öffnen, ist ein Brückenschlag gelungen, der ihre Integration gefördert hat. Integration heißt ja, Teilnahme am Leben der Aufnahmegesellschaft ohne Anpassungsdruck oder Zwang zur Assimilation. Diese Brückenfunktion von religiösen Gemeinschaften ist oft ein entscheidender Beitrag für eine gelungene Integration. Freilich ist auch das keine Einbahnstraße, auch die gastgebende, die aufnehmende Gemeinde verändert sich durch das Zusammenleben mit den Zugewanderten. Mannigfache Probleme sind dabei zu meistern, aber die Grundhaltung ist im Idealfall positiv und aufgeschlossen.
Aber auch Rita hat die Erfahrung vieler Migrantinnen und Migranten gemacht, die ihnen auch durch die Beheimatung in der christlichen Gemeinde nicht erspart geblieben ist:
Wenn wir auf Besuch nach Litauen zurückkehren, so erzählt sie, dann fühlen wir uns als Fremde in der Heimat.
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