Patina - Kostbares aus dem Archiv

Die Legende einer Legende - Zum 100. Todestag von Josef Kainz. Gestaltung: Roland Knie

Er war für Generationen von Schauspielern (und Publica) eine schwer fassbare Legende, ein "Hamlet" noch am ehesten, wie es ihn, so hieß es, vor ihm noch viel weniger gegeben habe als nach ihm. Aber immer waren die, die ihn noch leibhaftig gesehen hatten, schon lange tot; man begeisterte sich an seinem Bild, seiner Pose, auch an der Neuheit seines Sprechens, wiewohl man's allenfalls von zerkratzten Tonwalzen vernommen hatte, wie aus einer andern Welt. Josef Kainz war der Welt schon 1910, nach nur 52 Lebensjahren, abhanden gekommen - von denen er unglaubliche vierzig am Theater verbracht hatte. Zunächst natürlich auf Dilettanten- und echten Provinzbühnen, aber spätestens ab 1880 - da war er zweiundzwanzig - als Superstar auf Gastspielreisen quer durch Europa (bis nach Sankt Petersburg!), aber auch durch die USA. Er konnte sich seine Verträge aussuchen - und war gehörig wählerisch. 1899 konnte man ihn an seine Heimat Wien binden - an das Burgtheater. Und er hatte, nach zehn Jahren, soeben seinen Vertrag gelöst, hatte sich losgesagt von dem, wie er meinte, unkreativen Beamtentum, als er an Darmkrebs erkrankte und daran qualvoll zugrunde ging.

Josef Kainz ist auch als dieses Bild, diese Kitschfigur mit heißem Herzen, in die Gemüter eingegangen, als der vom Ideal beseelte ewige Rebell, der im Zenit seines Ruhms plötzlich abberufen wird. Sein jüngerer Zeitgenosse Karl Kraus hat diese Pose gespürt und das komödiantische Genie Alexander Girardis gegen Kainz auszuspielen versucht.

Dem Nachruhm Josef Kainz' hat das nichts anhaben können. Vielleicht, weil er der überaus seltene Fall einer über den Tod hinaus lebenden Legende war - beziehungsweise ist, noch immer, auch hundert Jahre danach.

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