Gedanken für den Tag
"Was die Welt im Innersten zusammenhält" - Gedanken zum Welternährungstag von Michael Chalupka
12. Oktober 2010, 06:57
Michael Chalupka ist evangelischer Pfarrer und Direktor der Diakonie Österreich.
Eine Milliarde Menschen hungern. Ihnen fehlen Kohlehydrate, Eiweiße und Fette, die der menschliche Körper zum Überleben braucht. Doch es geht beim Nachdenken über Welternährung um weit mehr als um die ausreichende Zufuhr von Nährstoffen. Es geht um die Frage, was in unsere Kochtöpfe, auf unsere Teller und in unsere Mägen kommt. Es geht um die Herstellung und Verteilung von Lebensmitteln. Es geht um Ess-Gemeinschaft und Gastfreundschaft. Es geht um Sozial- und Biomärkte, um Suppenküchen und Gourmettempel.
Schwester Germanas Kochbuch
Ich liebe Kochbücher. Besonders das Kochbuch von Schwester Germana: "Wenn Engel kochen - Himmlische Gerichte aus Italiens Küche". Es ist längst vergriffen. Mein Exemplar ist voller Sugoflecken und öliger Tapser. Dabei benutze ich es kaum noch. Die meisten Rezepte kann ich auswendig, denn sie sind einfach.
Schwester Germana war Nonne und Köchin eines Klosters im Piemont und ihr Kochbuch ist mehr ein Helfer in der Not als ein klassisches Rezeptbuch. Und wenn ich etwas zu sagen hätte, wäre sie dafür selig gesprochen worden. Das Kochbuch ist nicht nach den klassischen Topoi der Kochkunst gegliedert, sondern orientiert sich an dem, was der Mensch braucht. So finden sich in dem Buch Kapitel wie: "Wenn der Kühlschrank leer ist. Wenn die ganze Familie die Grippe hat. Oder: Wenn gegen Monatsende das Gehalt beinahe schon verbraten ist."
Ein Rezept aus dem letztgenannten Kapitel: Spaghetti mit Öl und Rosmarin. Schon bei der Mengenangabe zeigt sich die Meisterschaft Schwester Germanas. Neben den 200g Spaghetti steht vermerkt: Bereiten sie lieber eine reichliche Portion zu, die Sie den leeren Kühlschrank vergessen lässt! Und neben dem Olivenöl steht: Qualität extra vergine.
Auch wenn gespart werden muss, spart Schwester Germana nicht an der Würde der Esserinnen. Bereits zu Beginn des Kapitels schlägt sie diesen Ton an: "Viele haben Schwierigkeiten, mit ihrem Haushaltsgeld bis zum Monatsende auszukommen, denn Lebenskosten steigen so schnell an, dass einem schwindlig wird. Verlieren sie nicht den Kopf, probieren sie neue Rezepte aus."
Und es stehen gar nicht so wenige Rezepte in diesem Kapitel der - nicht unbedingt freiwilligen - Sparsamkeit zum Monatsende. Denn zur Würde der Köchinnen, Köche und Esser gehört es, auch auswählen zu können, was einem schmeckt und worauf man heute Lust hat. Auch wem das Geld ausgegangen ist und wer die Armut zur Mitbewohnerin hat, soll nichts vorgesetzt und zugemessen bekommen, sondern selbst entscheiden können, was in den Kochtopf und auf den Teller kommt. Schwester Germana speist niemand ab.
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