Gedanken für den Tag

"Über das Bereit-Sein" von Veronika Prüller-Jagenteufel

Veronika Prüller-Jagenteufel ist katholische Theologin und Seelsorgerin.

Manche Menschen sind für Geld oder auch aus Liebe zu - fast - allem bereit. Manche scheinen ohne Bezahlung für nichts zu haben zu sein. Gibt es heute noch so etwas wie Bereitschaft, gar Dienstbereitschaft - außer, es hat jemand eben im Job Bereitschaftsdienst?

Wer bereit ist, hat sich bereitet. Ich bin bereit, sagt, wer ein Amt, eine Aufgabe übernimmt. Aber sind auch alle, die Ämter übernehmen, entsprechend vor-bereitet?

Die Texte spielen mit den Worten und tasten nach einer der vielen scheinbar seltener werdenden Tugenden: der Bereitschaft, sich anderen zur Verfügung zu stellen. Wie kann diese Tugend heute neu geübt und dabei vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden?
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

"Und, hast du eine einigermaßen ruhige Nacht gehabt?", frage ich beim Frühstück meine Freundin, bei der ich zu Besuch bin. Ich ernte einen müden Blick, irgendwo zwischen Verzweiflung und Schicksalsergebenheit. "Die Kleine war ab Mitternacht schrecklich unruhig", höre ich, "und der Großen haben wir gestern Abend vergessen, eine Windel zu geben - also haben wir ihr um etwa 2 Uhr einen frischen Pyjama anziehen und die Bettwäsche wechseln müssen. Aber sonst war alles ruhig", grinst meine Freundin, nach der ersten Tasse Kaffee schon etwas lebensfroher.

Was Eltern alles leisten!, denke ich mir wieder einmal voll ehrlicher Bewunderung. Auch wenn in vielen Familien vieles schief geht, so wird hier doch auch ein hohes Maß an echter Dienstbereitschaft aufgebracht - um es mit diesem altmodischen und doch so treffenden Wort zu sagen.

Ich sehe das an meiner Freundin und ihrem Mann mit ihren beiden Töchtern von eineinhalb und drei Jahren, die nicht nur den Schlaf dezimieren, sondern auch sonst viel Kraft brauchen; ich sehe das bei anderen Freunden, die ihren pubertierenden Kindern den Reibebaum bieten, der zum Erwachsenwerden nötig ist, auch wenn sie dabei manchmal ganz schön einstecken müssen. Ich sehe das an Eltern, die ihre Teenager auch nachts um drei aus der Disco abholen.

Und ich sehe Ähnliches bei Kindern, die sich um ihre alt gewordenen Eltern kümmern.

Familiäre Beziehungen haben nach wie vor eine sehr hohe Bindungskraft. Das kann schrecklich einengend und für Eltern wie Kinder auch hinderlich sein. Aber Verbundenheit und Verantwortung können auch eine der wunderbarsten Fähigkeiten des Menschen hervorrufen: Die Bereitschaft, sich einem anderen in seiner Bedürftigkeit zur Verfügung zu stellen. - Und wenn meine Freundin das hört, hoffe ich, dass sie jetzt zustimmend lächelt und ein bisschen stolz ist.

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