Gedanken für den Tag

"Ideen zur Verbesserung der Welt" von Kurt Remele

Kurt Remele ist Professor für Ethik und Gesellschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz.

"Die Bedürfnisse der Armen müssen Vorrang haben gegenüber dem Verlangen der Reichen nach Luxus, Arbeiterrechte gegenüber der Profitmaximierung, die Erhaltung der Umwelt gegenüber unkontrolliertem industriellem Wachstum und Produktion, die Grundbedürfnisse befriedigt, gegenüber jener, die militärische Güter erzeugt." Diese klare gesellschaftspolitische Prioritätensetzung stammt von Papst Johannes Paul II.

Der Sozialethiker Kurt Remele hat die katholische Soziallehre als ernst zu nehmende, gesellschaftskritische Unterweisung zur Weltverbesserung neu entdeckt. Zu denken gibt, dass das Wall Street Journal die Kapitalismuskritik der katholischen Soziallehre immerhin einmal als "aufgewärmten Marxismus" bezeichnet hat. Das ist freilich überzogen, weist aber auf den "utopischen Realismus" dieser Lehre hin, die einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Marxismus verwirklichen möchte. Zu erfahren, wie dieser näher aussieht und welche Folgen sich daraus für das persönliche Leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse ergeben, ist eine durchaus spannende Sache. Kurt Remele erzählt davon in dieser Woche. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Bischöfliche Mitren in einer Kirche der Armen

Im Jahre 1996 hat Richard Holloway, der damalige Primas der anglikanischen Kirche Schottlands, etwas Ungewöhnliches vorgeschlagen: Die Bischöfinnen und Bischöfe der anglikanischen Gemeinschaft sollten sich bei ihrer nächsten Weltkonferenz demonstrativ von ihren Mitren, ihren den hohen Rang anzeigenden Bischofsmützen, trennen. Damit sollten sie ein neues Amtsverständnis demonstrieren: Nicht länger würden sie sich als Fürsten und Herrscherinnen begreifen, sondern als Diener und Dienerinnen des Volkes Gottes. "Warum sollten wir uns nicht am Ufer der Themse versammeln", regte Holloway an, "und unsere mittelalterlichen Mitren in die Fluten des Flusses schleudern?"
 
Die Idee des anglikanischen Bischofs, die Welt durch eine aktionistisch anmutende Mitren-Entsorgung zu verbessern, erscheint mir etwas extrem und ökologisch problematisch. Das grundsätzliche Anliegen Holloways aber teile ich. Es wurde auch schon von zahlreichen katholischen Bischöfen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil vertreten. Im November 1965 sind vierzig Bischöfe den so genannten "Katakombenpakt" eingegangen. Sie erklärten, dass sie ihr Amt nicht wie "Chefs nach Art dieser Welt" ausüben wollten und verpflichteten sich, bescheiden zu leben, auf Amtskleidung aus teuren Stoffen und in auffälligen Farben zu verzichten und sich für die Deklassierten, für Gerechtigkeit und Gleichheit einzusetzen.
 
Diese Anliegen einer "Kirche der Armen" haben auch in die katholische Soziallehre Eingang gefunden, vor allem in das Dokument "De justitia in mundo". Darin hat die Römische Bischofssynode von 1971 erklärt, dass die Verkündigung des Evangeliums den Einsatz für soziale Gerechtigkeit einschließe. Daraus folgt, so stellen die Bischöfe wörtlich fest, dass "unser eigenes Verhalten, unser Besitz und unser Lebensstil in der Kirche einer genauen Prüfung zu unterziehen sind." (41) - Die Überprüfung des eigenen Lebensstils und die Reduktion sozialer Ungleichheit verbessern die Welt. In stärker egalitären Gesellschaften sind die Menschen im Allgemeinen vergleichsweise glücklicher und gesünder.

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