Vom Leben der Natur
Synthetische Biologie. Der Risikoforscher Markus Schmidt spricht über die Forschung im Grenzbereich von Biologie, Chemie und Ingenieurswissenschaft. Durch die synthetische Biologie soll Leben künstlich erzeugt und verändert werden.
Teil 2: Neue Schaltkreise.
Gestaltung: Lothar Bodingbauer
30. November 2010, 08:55
Während Gentechnologie die Manipulation des bestehenden genetischen Materials von Lebewesens zum Inhalt hat, geht die Synthetische Biologie weiter: Das genetische Material wird synthetisch - also im Labor künstlich - hergestellt.
Die DNA ist jenes Molekül, aus dem das genetische Material von Lebewesen besteht. Die Informationen darin sind als Abfolge von chemischen Bausteinen kodiert, die mit Lesegeräten (Sequencer) gelesen werden können. Einige Firmen bieten in den letzten Jahren vermehrt die Technologie an, dass zumindest Teile der DNA auch geschrieben werden können. Somit kann Erbgut im Labor künstlich erzeugt werden.
Die ausgelesenen Informationen bestehender DNA sind über Internet weitgehend frei verfügbar, und damit treten die ersten Sicherheitsaspekte auf. Theoretisch könnte sich jedermann genetische Bauteile selbst suchen, verändern und von Synthesefirmen neu zusammenbauen lassen.
Bislang werden noch keine "neuen Lebewesen" konstruiert, sondern bestehende Lebewesen modifiziert - auf bakteriellem Niveau. Ein Ziel ist es zum Beispiel, mikrobielle Brennstoffzellen, die durch die Arbeit von Bakterien Strom erzeugen, effizienter zu machen.
Neue biologische Schaltkreise könnten darüber hinaus neue biologische Tätigkeiten erfüllen. Sie würden aus standardisierten Bauteilen zusammengebaut werden. Gegenwärtiger Stand der Forschung in diesem Bereich der synthetischen Biologie ist die Erstellung einer Datenbank mit unterschiedlichen Modulen und deren Arbeitsweisen in unterschiedlichen Kontexten. Die Herausforderung ist dabei, das Zusammenwirken dieser Module zu verstehen. Dies ist ein Bereich, in dem die Ingenieurswissenschaft in klassische Felder der Biologie vordringt. In universitären Wettbewerben werden immer neue Bauteile vorgestellt.
Biologische Schaltkreise müssen bislang in bestehenden lebendigen Trägern installiert werden, zum Beispiel in Bakterien. Die Forscher im Bereich der Synthetischen Biologie versuchen nun herauszufinden, ob es Träger (Chassis) gibt, die "weniger können" als Bakterien, und dennoch als "lebendig" bezeichnet werden. Bestehende lebende Träger haben nämlich viele Zusatzfertigkeiten, zum Beispiel die Verteidigung gegen widrige Umwelteinflüsse, Stoffwechsel und die Vermehrung, die für die Wünsche der Bioingenieure gar nicht notwendig sind. Gerade die Vermehrung soll ausgeschlossen werden, wenn diese Träger mit den gewünschten Eigenschaften in die Umwelt frei gesetzt werden sollten. Es ist noch nicht klar, wie diese Träger zu handhaben sind: wie Bakterien oder Viren, wie chemische Substanzen - Forscher sprechen von "intelligenten Materialien".
Noch einen Schritt weiter gehen die Xenobiologen: sie versuchen neuartige DNA-Stränge zu konstruieren, die aus mehr bzw. anderen Grundbausteinen oder anderen chemischen Rückgraden bestehen. Wenn es gelingt, mit diesen Zutaten lebende Systeme herzustellen, würden sie vom bestehenden "normalen" Leben nicht erkannt werden, und das Risiko der Vermischung wäre gemindert. Ein Vergleich dazu wären die unterschiedlichen Betriebssysteme bei Computern (Windows, Mac, Linux), zwischen denen sich Viren nicht ausbreiten können.
Service
Interviewpartner
Dr. Markus Schmidt
Organisation for International Dialogue and Conflict Management (IDC)
Idialog
Markus Schmidt
Wenn Sie diese Sendereihe kostenfrei als Podcast abonnieren möchten, kopieren Sie diesen Link (XML) in Ihren Podcatcher. Für iTunes verwenden Sie bitte diesen Link (iTunes).