Gedanken für den Tag
"Über das islamische Neujahr" von Gülmihri Aytac
9. Dezember 2010, 06:57
Heilige Feste. - Einmal muss das Fest ja kommen, hat Ingeborg Bachmann geschrieben. Und in dieser Woche kommen einige Feste auf mehr oder weniger gläubige Menschen zu: Heiligenfeste des Advent wie das des Nikolaus von Myra, das jüdische Chanukkafest und das muslimische Neujahrsfest. Gedanken dazu hören Sie von Peter Pawlowsky, Anita Pollak und Gülmihri Aytac.
Gülmihri Aytac ist in der islamischen Lehrerinnen- und Lehrerausbildung tätig und lebt in Wien.
Das islamische Neujahr markiert einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Islam, nämlich die Auswanderung des Propheten Muhammad von Mekka nach Medina im Jahre 622 nach üblicher Zeitrechnung. In der Folge baute er dort das erste islamische Gemein- und Staatswesen auf. Dieses Ereignis wurde und wird als derart wichtig angesehen, dass der Beginn der islamischen Zeitrechnung auf dieses Datum festgelegt wurde. Das islamische Neujahr verschiebt sich aufgrund des Mondkalenders jährlich um rund 11 Tage nach vorne.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer
Muharram 1432 - Islamisches Neujahr
Nach der islamischen Zeitrechnung hat mit dem 7. Dezember ein neues Mondjahr begonnen. Als Kind kannte ich nur den 31. Dezember: Beeindruckende, laute, lustige, am Ende dann doch irgendwie traurige Silvesterfeiern. Seit ich mich erinnern kann, begannen die Jahreszahlen immer mit 19hundert, bis die Welt mit großem Paukenschlag im Jahr 2000 angelangt war. Irgendwann hörte ich dann noch andere Zahlen, die auch Jahreszahlen waren. 14hundert soundso zählte man da, es war lustig, dass man noch so ein junges Datum hatte, auch geheimnisvoll kam es mir vor. 1432 heißt es seit zwei Tagen.
Irgendwann lernte ich vom islamischen Kalender, der nach Mondmonaten berechnet wird und um 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr mit seinen 365 Tagen ist. Hedschra war das Stichwort dazu. Die Auswanderung der ersten Muslime aus Mekka, wo sie als religiöse Minderheit verfolgt wurden, nach Medina. Bis heute gilt sie als Stadt der Ansar, der Helfer, die diesen Menschen Zuflucht gewährten und weit über das hinaus, ihr Hab und Gut mit ihnen teilten.
Jahre nach dem Tod des Propheten Muhammad, Friede sei mit ihm, versammelten sich seine Gefährten, Omar, Ali und viele andere. Gemeinsam beschlossen die Muslime, dieses Ereignis der Hedschra, den Tag der Freiheit, als Beginn der islamischen Zeitrechnung zu nehmen. Jedes neue Jahr begehe ich nun in Erinnerung an die Hedschra. Es macht mir bewusst, dass für ein wahrhaftiges Leben in Freiheit und Selbstbestimmung manchmal auch Mut zum Auswandern gehört.
niemals stehenbleiben, sage ich mir,
der ausweglosigkeit entgehen
wandern, nachts unter dem nachtwind
der sternenspur entlang
bis zum morgen
um eine weile zu sein
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Sendereihe
Playlist
Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min
Titel: GFT 101209 Gedanken für den Tag / Gülmihri Aytac
Länge: 02:41 min
Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min