Gedanken für den Tag
"Nach der Wintersonnenwende" von Philipp Harnoncourt
7. Jänner 2011, 06:57
Philipp Harnoncourt ist Liturgiewissenschaftler und Ökumeniker in Graz.
In den christlichen Kirchen gibt es gegenwärtig drei oder vier verschiedene Daten für das Fest der Geburt Christi und zwei oder drei verschiedene Daten für das Epiphanie-Fest, das hierzulande als Dreikönigstag bekannt ist - je nachdem, wie der äthiopische Kalender interpretiert wird. Die in diesen Tagen gefeierten "Großtaten Gottes": Die Geburt Jesu, seine Beschneidung und Namengebung, seine Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland, seine Taufe im Jordan und das erste von ihm gesetzte Wunderzeichen bei der Hochzeit zu Kana - sind aber überall dieselben, wenn auch in unterschiedlicher Akzentuierung. Die Einordnung in den Jahreskreis unmittelbar nach der Wintersonnenwende ist eine Hauptursache dafür, dass diesen Feiern auch erlebnismäßig eine sehr hohe und zugleich tiefwurzelnde Bedeutung zukommt, sodass sie selbst in außerchristlichen Regionen und agnostischen Gesellschaften begangen werden - allerdings mit ganz anderen Inhalten. Gedanken von Philipp Harnoncourt für die ersten - und wieder länger werdenden - Tage des Neuen Jahres. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer
Orthodoxe und armenische Weihnachten im Julianischen Kalender
Gestern, am 6. Jänner, haben die Katholiken Epiphanie gefeiert, "Erscheinung des Herrn" und auch jene orthodoxen Kirchen, die die Heiligenfeste nach dem bürgerlichen Kalender feiern. Jene Ostkirchen aber, die bis heute dem Julianischen Kalender folgen, haben Weihnachten gefeiert. Beides, wenn man so will, Lichtfeste.
Die Annahme, dass die Orthodoxen im Nahen Osten, die Russen, die Serben, die Bulgaren und die Georgier am 6. Jänner Weihnachten feiern, ist allerdings falsch. Richtig ist vielmehr, dass auch diese Kirchen die Geburt des Herrn am 25. Dezember feiern, aber sie tun es am 25. Dezember des Julianischen Kalender, der jetzt unserem Gregorianischen Kalender 13 Tage hinterher läuft.
Lediglich die Armenische Kirche feiert die Geburt Jesu erst am 6. Jänner. Weil aber auch diese Kirche bis heute dem Julianischen Kalender folgt, wird das armenische Weihnachtsfest gemäß unserem Gregorianischen Kalender am 19. Jänner begangen, an dem Tag, an dem viele Orthodoxe Epiphanie feiern. Das ist zwar etwas verwirrend, aber doch erklärbar. Vor einigen Jahren habe ich das im Heiligen Land selbst erlebt: Der armenische Patriarch von Jerusalem zelebrierte um Mitternacht zwischen 18. und 19. Jänner in der Geburtsgrotte in Bethlehem sein Weihnachtshochamt mit hunderten von Armeniern. Der griechisch-orthodoxe Patriarch segnete zu Epiphanie - ebenfalls am 19. Jänner - den Jordan und alle Gewässer der Erde. Es war ein makabres Geschehen am Grenzfluss zwischen Israel und Jordanien, hinter aufgeschnittenen Stacheldraht-Zäunen und vor den Maschinengewehren der israelischen und der jordanischen Soldaten diesseits und jenseits des Jordan. Ein Geschehen, das in seiner Intensität sprachlos machen kann.
Eine armenische Weihnachts-Akklamation fasst das zusammen:
Heute erschien uns der Höchste
- Thronend das ewige Wort -
auf der wortlosen Krippe.
Service
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: anonym
Gesamttitel: THE ORTHODOX TRADITION / ORTHODOXE GEISTLICHE CHORMUSIK
Gesamttitel: RUSSISCH
Titel: Der eingeborene Sohn - für Männerchor a cappella
Chor: Male Choir of the Moskow Patriarchate
Länge: 01:10 min
Label: BMG / Melodiya 74321188192