Leporello

Ansichten zur Arbeit

"Guter Morgen Marienthal - ein Stück Arbeit" - so lautet der Titel eines Theaterprojekts der Gruppe "Dreizehnter Januar", das dieses Wochenende auf dem Gelände der "Parachemie Evonik" in Gramatneusiedl zu sehen ist. Bis in die 1930er Jahre befand sich ebendort die Textilfabrik und Arbeiterkolonie "Marienthal". 1820 gegründet, zog sie vor allem Textilarbeiter aus Böhmen und Mähren an. Mit ihrem regen Vereinsleben, dem eigenen Fabriksspital samt Badeanlage, einem Montessori Kindergarten und einer Theater- und Operettenbühne galt sie als Hochburg der Arbeiterbewegung - und Aushängeschild liberalen Unternehmertums. Berühmt machte sie jedoch ihr Niedergang im Jahr 1929. 1200 Arbeiter und Arbeiterinnen, also 80 Prozent der Marienthaler Bevölkerung, wurden durch die Weltwirtschaftskrise schlagartig arbeitslos. Eine Tatsache, die schon damals die Aufmerksamkeit von Sozialforschern auf sich zog.
Sieben Monate lang untersuchte ein 15-köpfiges Soziologenteam um Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda die Lebensbedingungen und Biografien der ehemaligen Textilarbeiter. "Die Arbeitslosen von Marienthal - Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit" erschien 1933 - und wurde bald zu einem Klassiker der empirischen Sozialforschung.
Dass Langzeitarbeitslosigkeit kein revolutionäres Potenzial beherbergt, sondern zu Resignation und Apathie führt - das gilt als das zentrale Ergebnis der "Marienthal Studie". Fanny Brunner, die "Guter Morgen Marienthal" im Rahmen des "Viertelfestivals" inszeniert hat, sieht die Studie als "Menetekel für einen ebenso unaufhaltsamen wie unvorstellbaren Trend". Szenisch umgesetzt hat sie neben Originaltexten aus der Marienthal-Studie auch Reportagen über Hartz 4 Empfänger.
Gestaltung: Franziska Dorau

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