Gedanken für den Tag
von Michael Krassnitzer. "Der Prophet aus Toronto". Zum 100. Geburtstag des Medienphilosophen Marshall McLuhan
21. Juli 2011, 06:56
Von ihm stammt das berühmte Zitat "The medium is the message" und er prägte bekannte Formulierungen wie "Das globale Dorf" oder die "Gutenberg-Galaxis": Der in Kanada geborene Medienphilosoph Marshall McLuhan wäre am 21. Juli 100 Jahre alt geworden. Weniger bekannt ist, dass McLuhan ein zutiefst spiritueller Mensch war und sich zeitlebens mit Fragen des Glaubens beschäftigte. Schon in jungen Jahren konvertierte der Sohn einer Methodistin zum Katholizismus. Seine in der Zeit von Internet und E-Mail nach wie vor gültigen Überlegungen, inwiefern neue Medien die Gesellschaft verändern, übertrug er auch auf das Gebiet der Religion und des Glaubens.
Diese "Gedanken für den Tag" werfen einen ungewohnten Blick auf den großen Medientheoretiker, der einerseits das Unverständnis der Kirche für die Medien beklagte, dem aber andererseits die Öffnung der Kirche in den 1960er Jahren nicht geheuer war. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.
Marshall McLuhan prophezeite den Untergang der jahrhundertealten, durch die Druckerpresse geprägten westlichen Schriftkultur. Viele, die einen gesellschaftlichen Wandel ersehnten, nahmen diesen Gedanken mit Begeisterung auf und erhoben McLuhan zu ihrem Säulenheiligen. Doch persönlich bedauerte der Medientheoretiker die von ihm vorausgesagten Umwälzungen zutiefst.
"Der ganze Prozess der Veränderung widert mich an", bekannte McLuhan in einem Interview: Als jemand, der von der westlichen Schrifttradition geprägt sei, habe er persönlich keinen Grund, die Auflösung dieser Tradition zu bejubeln. Doch solche Werturteile vermied er in der Regel, so gut es geht. Und Empörung war ihm völlig fremd. "Moralische Entrüstung ist eine Methode, um Idioten Würde zu verleihen", sagte er einmal.
Diesen Standpunkt halte ich für wirklich bemerkenswert. Denn in den heutigen Kulturwissenschaften scheinen mir eine unvoreingenommene Herangehensweise und ein kühler Kopf sehr selten zu sein. Ich habe den Eindruck, dass dort moralische Entrüstung und die Übereinstimmung von persönlicher Überzeugung und Erkenntnissen geradezu Pflicht sind.
Ganz anders Marshall McLuhan: "Ich wollte meine Forschung niemals als Offenbarung der Wahrheit verstanden wissen", sagte er: "Ich würde jede Aussage, die ich irgendwann einmal gemacht habe, sofort über Bord werfen, wenn die Realität mich eines besseren belehrt."
Service
Wenn Sie diese Sendereihe kostenfrei als Podcast abonnieren möchten, kopieren Sie diesen Link (XML) in Ihren Podcatcher. Für iTunes verwenden Sie bitte diesen Link (iTunes).
Sendereihe
Playlist
Titel: GFT 110721 Gedanken für den Tag / Michael Krassnitzer
Länge: 03:45 min