Gedanken für den Tag

von Guido Tartarotti. "Sommerliche Atempause"

Natürlich entlässt einen der Alltag im Sommer nicht automatisch aus seinen Fängen - nur weil draußen vielleicht die Sonne scheint. Und die Arbeit kann man im Normalfall auch nur für maximal ein paar Wochen ruhen lassen. Man ist ja schließlich kein Schulkind mehr. Und doch: Der Sommer bietet da und dort die Gelegenheit, Abstand vom Gewohnten zu nehmen, Unterbrechungen zuzulassen und sich auch die Zeit zu nehmen, tiefer zu gehen und sich ein bisschen damit zu beschäftigen, was einem wirklich wichtig ist - vielleicht sogar Fragen, die nicht nur diese Welt betreffen, zuzulassen.

Guido Tartarotti ist von Beruf Journalist. Abends treibt er sich, wie er selbst sagt, oft auf Bühnen herum: als Kabarettist. Nach dem Überraschungserfolg von "Über Leben - Escape From Meerschweinchenkäfig" hat er sein zweites Programm "Daneben" der kabarettistischen Auseinandersetzung mit den absurden Seiten des Journalismus gewidmet. Und wenn Tartarotti "ganz besonders unvorsichtig gelaunt" ist, tritt er zudem als Sänger und Gitarrist seiner Band NOW auf. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Dialog, gehört im Mödlinger Freibad.
Er (etwa 65 Jahre alt, ledrig braune Haut, großer Bauch): "Wos mochst du do?"
Noch ein Er (etwa 70 Jahre alt, roastbeefrote Haut, sehr großer Bauch): "Boden."
Der erste Er: "Aso".
Ein Dialog von wahrhaft existenzialistischer Wucht, und dabei bestechend klar und logisch.
Älterer Mann mit Badehose unter dem Bauch: "Wo isn ihna Gattin?"
Älterer Mann mit Badehose über dem Bauch: "Jo, de is kraunk, bei da Haut. Jetzt wiss ma endlich a, wos' hot: Aurora Brorealis."
Zufälliger Zuhörer: "Da würde ich empfehlen, auf Skandinavien-Urlaube zu verzichten."
Ganz großes Theater. Da fällt es einem leicht, die unangenehmen Rahmenbedingungen der Bühneninstallation namens Freibad zu übersehen. Bäder riechen nach Öl: Sonnenöl, Pommes-frites-Öl und jenem Öl, das zum Anbraten der Damen verwendet wird.
Die Geräuschkulisse ist ein Mix aus dem Kreischen vergnügter und/oder ertrinkender Kinder, den gleichzeitig aus hunderten Radios brüllenden Sommerhits der letzten vier Jahre und blechernen Lautsprecher-Durchsagen, in denen stets nur die Worte "wird sonst abgeschleppt" zu verstehen sind.
Die Becken sind mit Menschen, Chlor, allen drei genannten Ölsorten, mit noch etwas, was wir jetzt nicht erwähnen wollen, und Spuren von Wasser gefüllt. Die Temperatur beträgt laut österreichischer Badewassertemperaturverordnung von 1932 immer exakt 19,4 oder exakt 27,2 Grad Celsius und hat nie irgendeinen Bezug zu den am schwarzen Brett angeschriebenen Werten. Unentwegt steigt man in Glitschiges und ist zu Recht froh, wenn es sich dabei nur um Erdbeereis handelt.
Der erste untersetzte Aufreißer: "Schau da des an! A bissl a Wind, und scho gengans ham. Da Wind hot de gonzn schoafn Gretln vablosen. Nua de Krampn san no blieben."
Der zweite untersetzte Aufreißer: "Najo, de Blade do kennt ma se scheen trinken!"
Dramen wie diese erlebt man sonst höchstens noch im Burgtheater. Nur mit dem Unterschied, dass es dort bis zur Schlusspointe fünf Stunden dauert und man nicht in der Sonne liegen kann.
Der Bub: "Du Papa, was kann der Jesus alles?"
Der Vater: "Naja, über das Wasser gehen, zum Beispiel, der geht quer über das Erlebnisbecken."
Der Bub: "Und sonst kann er nix?"
Der Vater: "Oja, Wasser in Wein verwandeln. Blinde sehend machen. Einmal ist ein Lahmer ...
Der Bub: "Ein Lama?"
Der Vater: "Also jedenfalls kann er den Menschen helfen und Wunder bewirken und so."
Der Bub: "Ich weiß! Der Jesus ist ein Pokemon!"

Service

Guido Tartarotti

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 110729 Gedanken für den Tag / Guido Tartarotti
Länge: 03:49 min

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