Gedanken für den Tag

von Niki Glattauer. "Für welches Leben lernen wir?"

"Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir", kritisierte einst schon Seneca. Doch für welches Leben sollte der Mensch lernen? Ausschließlich für das spätere Berufsleben? Ist Schule also eine Kaderschmiede für die Wirtschaft?

Schule sei im Idealfall auch Menschenbildung, hält der Hauptschullehrer und Autor des Buches "Der engagierte Lehrer und seine Feinde", Nikolaus Glattauer, dem entgegen. In diesen Tagen erscheint sein neues Buch zum Thema Schule: "Die PISA-Lüge".

In seinen "Gedanken für den Tag" spricht er über die heikle Beziehungstriangel zwischen Eltern, Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern, über den vielfach unterschätzten Wert von Religionen- und Ethikunterricht und über die Bedeutung von Eignung, Neigung und Leistung.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Die Straßenkämpfe in Paris und London, die Proteste in Griechenland, brennende Autos in Berlin, Nordafrika: All das hat bei aller Verschiedenheit einen gemeinsamen Nenner: Immer mehr Menschen an immer mehr Orten dieser Welt fühlen sich von jenen, die behaupten, sie zu vertreten, nicht nur nicht mehr vertreten, sie fühlen sich von ihnen verraten - und sie rächen sich dafür. Bereits vor mehr als 30 Jahren hat die spätere Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing in ihrem Science-Fiction-Zyklus "Canopus in Argos" Zustände beschrieben, wie sie heute in den Nachrichten zu finden sind. Unsere Erde heißt bei Lessing "Shikasta", "die Zerstörte". Ich zitiere daraus: Schon waren die Städte hilflos angesichts der unorganisierten Gewalt jener Gruppen von jungen Leuten beiden Geschlechts, die zerstörten, was sie konnten. Telefone, Verkehrsmittel, Parks, Gebäude, alles konnte jeden Augenblick zerstört werden. Die  Jugendlichen machten Überfälle, Raubzüge, sie mordeten, immer impulsiv - ohne jegliche Gewissensbisse, fast wie im Spiel.

Das Beispiel England zeigt: Eine verfehlte Schulpolitik, eine des Kaputtsparens, des Segregierens, eine, die unter dem Vorwand Eliten bilden zu müssen, soziale Gräben aufreißt, eine solche Politik führt zu den oben beschriebenen Zuständen. Steuern wir rechtzeitig dagegen!

Ich habe mitgeholfen, das Bildungsvolksbegehren zu formulieren, das Ende Oktober zur Disposition steht. Darin wird dem theresianischen Schulprinzip: "Anstellen! Zweierreihe! Und der Mund ist zu!" eine Absage erteilt. Dieses System hat, finde ich, lange genug  Menschen produziert, die vor allem gelernt haben zu kuschen, zu tarnen und zu täuschen. Und Leistung darin zu sehen, Mitmenschen zu überholen, zu übervorteilen und zu betrügen. Geiz ist nicht nur alles andere als geil, er führt geradewegs nach Shikasta.

Service

Buch, Nikolaus Glattauer, Die Pisa-Lüge, Verlag Ueberreuter

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Playlist

Titel: GFT 110909 Gedanken für den Tag / Niki Glattauer
Länge: 03:49 min

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