Gedanken für den Tag

von Martin Haselböck. "Sein und Schein" - vom Leben mit der Kunst

"Da ich von der Kirchenmusik hergekommen bin, hatte ich immer den Eindruck, dass Alte Musik einen besseren Klang verdienen würde. Bei der Orgel gibt es ja historische Instrumente mit dem Klang, den etwa auch Bach gehört hat. Ein solches Instrument ist wie eine Unterrichtsstunde mit den besten Lehrern", sagte der renommierte österreichische Dirigent und Komponist Martin Haselböck einmal in einem Interview.

Haselböck erwarb sich zunächst große Reputation als Organist, bevor er 1985 das Originalklangorchester Wiener Akademie gründete. In den "Gedanken für den Tag" spricht der Pionier der Originalklang-Bewegung über sein Leben mit der Kunst und den Mut zum Unbekannten.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Eine wunderbare Reiselektüre der vergangenen Wochen: "At Day's Close - Night in past times" des amerikanischen Historikers Roger Ekirch. Eine Kulturgeschichte der Nacht wird hier aufgeblättert, eine für uns Zeitgenossen nicht mehr nachvollziehbare Trennung zwischen Licht und Finsternis geschildert.

Die Nacht: für uns Heutige eine künstliche Verlängerung des Tages, voll von Licht, Farben, Unterhaltung, für die Menschen der Vormoderne eine Schattenwelt mit eigenen Regeln und Gesetzen. Wie wurde mit den Gefahren von Gewalt und Feuer umgegangen, welche Formen von Gesellschaft und Privatheit blühten im Dunkeln?

Der Tag definiert sich in seinem Schein im Kontrast zum Dunkel der Nacht, das erwachende Leben des Morgens als Gegenbild des Schlafs, dem Bruder des Todes. Die Starre des Winters ist Ruhepol im Rad der Jahreszeiten, Festtage und Gebräuche sind willkommene Markierungen im Ritual des immer wiederkehrenden Ablaufs.

Heute haben wir es in der Hand, Herren und Herrinnen über Zeit und Raum zu sein. Künstlich verkürzen wir die Nacht, tätig verlängern wir die aktiven Phasen unserer Beschäftigung, aktiv blenden wir die Kälte des Winters und die Hitze des Sommers aus, in der Intensität der Kommunikation beschleunigen wir die Zeit.

Ein Faszinosum ist die Verschränkung echter und künstlicher Wirklichkeiten, das Aufgehen in erleuchteten Räumen, die die Tageszeiten obsolet erscheinen lassen, die allgegenwärtige Verfügbarkeit einer Bilder- und Klangwelt, die immer und überall abrufbar ist.

Dennoch: Ich habe erfahren, erst das Eingehen auf das Dunkel der Nacht, das Zulassen und Zuhören auf die Stille lässt das Erwachen des neuen Tags zu.

Service

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 111028 Gedanken für den Tag / Martin Haselböck
Länge: 03:49 min

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