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"Wir sind nicht emigriert - wir wurden hinausgeschmissen". Michael Kerbler spricht mit Walter Arlen, Komponist

"Wir sind nicht emigriert - wir wurden hinausgeschmissen", sagt Walter Arlen mit Nachdruck. Das Wort Emigration "geniert" und ärgert ihn bis heute.

18 Jahre ist Walter Arlen alt, als im März 1938 die Nationalsozialisten in Österreich einmarschieren. Das familieneigene "Warenhaus Dichter" - damals das größte Warenhaus Wiens außerhalb des Gürtels - wird "arisiert". Bargeld, Briefmarken, Familienschmuck werden mitgenommen und auf einem Geschäftspapier aufgelistet, was Jahre später eine Entschädigungszahlung verhindert, da es als "Geschäftseigentum", und nicht als "Privateigentum" angesehen wird. Walter Arlens Vater wird nach Buchenwald deportiert. Ihm selbst gelingt es, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Ende April - sein Vater wurde aus Buchenwald entlassen - flohen seine Eltern und seine Schwester Edith nach England.

Unter dem Namen Arlen begann der 1920 als Walter Aptowitzer in Ottakring geborene Wiener seine neue Laufbahn in den USA: als Komponist, Musikwissenschafter und Universitätsprofessor. Jahre später wird Walter Arlen als Musikkritiker der "Los Angeles Times" in unzähligen Konzerten zu Gast sein und große Komponisten und Interpreten persönlich kennenlernen - Igor Strawinsky, Aaron Copland, Jascha Heifetz und viele andere.

Die Musik hat sein Leben geprägt - schon in früher Kindheit hatte er das Klavierspiel erlernt. In den USA hat Arlen auch komponiert. Mit mancher seiner Kompositionen kehrt er - zumindest musikalisch - in seine alte Heimat Wien zurück. Walter Arlen ist einer der letzten noch lebenden Komponisten der Generation, die von den Nationalsozialisten ausgelöscht werden sollte. Er hat nach seiner Flucht aus Wien im Jahr 1939 nicht nur als Musikkritiker für die Los Angeles Times, sondern auch als Gründer des Music Departments der Loyola Marymount University wesentlich zum kulturellen Transfer österreichischer Musiktradition beigetragen.

Im Rahmen einer Matinee im Wiener Volkstheater am 6. November spricht Michael Kerbler mit dem Komponisten. Beginn: 11:00 Uhr.

Service

Sandra Wiesinger-Stock, Erika Weinzierl, Konstantin Kaiser, "Vom Weggehen - Zum Exil von Kunst und Wissenschaft", Mandelbaum Verlag, Wien

Evelyn Adunka, Peter Roessler, "Die Rezeption des Exils - Geschichte und Perspektiven der österreichischen Exilforschung", Mandelbaum Verlag, Wien

Ruth Wodak, "Das kann einem nur in Wien passieren - Alltagsgeschichten", Czernin Verlag

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