Gedanken für den Tag

Von Konstanze Fliedl. "Dichte Diagnosen" - Zum 150. Geburtstag Arthur Schnitzlers. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Seine Befunde zur Gesellschaft der späten Habsburgermonarchie und der Ersten Republik hat Arthur Schnitzler in einer sehr speziellen Handschrift festgehalten. Hellhörig hat er die Rhetorik von Liebe und Politik aufgezeichnet, die Vermarktung von Körper und Psyche dargestellt. Gegenüber den Lügen im Öffentlichen und im Privaten blieb er bei der Überzeugung von der Verantwortung für das Wort. Darin besteht die Aktualität von Schnitzlers Werk bis heute.

Schnitzlers Wahl

In den frühen Jahrgängen von Arthur Schnitzlers Tagebuch ist sehr wenig von Politik die Rede. Wie die anderen Autoren der Wiener Moderne galt er überhaupt als Vertreter einer Generation, die sich enttäuscht vom Liberalismus ihrer Väter abwandte und in der Kunst vom krude Politischen Abstand nahm. Aber spätestens ab den 1890er Jahren, als die christlich-soziale Partei mit antisemitischer Propaganda Wahlen gewann, hat sich Schnitzler auch literarisch auf dieses Thema eingelassen. Schon im Roman "Der Weg ins Freie" von 1908 karikierte er die Gesinnungslumperei von Staats- und Standesvertretern. Die Komödie "Professor Bernhardi" von 1918 stellte dann mit grimmigem Witz in der Gestalt des Ministers Flint den blanken Opportunisten auf die Bühne, den Populisten und Wendehals, den Schauspieler seiner selbst. Für das Stück und gegen die aktuellen Zustände spricht es, dass dieser Typ - auf den Tag genau 150 Jahre nach Schnitzlers Geburt - so ungemein heutig wirkt. Gegen Schnitzler selbst ist in der antisemitischen und völkisch-klerikalen Presse denn auch immer wieder wütend polemisiert worden; 1917 notierte Schnitzler, "dass wohl noch niemals ein Autor im Laufe seines Schaffens so viel beschimpft wurde als ich". Nach dem Zusammenbruch der Monarchie verhielt sich Schnitzler auch gegenüber der neugegründeten deutschösterreichischen Republik außerordentlich skeptisch; bei den Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung 1919 gab er seine Stimme dem für ihn kleineren Übel, der Sozialdemokratie - es handelte sich darum, wie er schrieb, "so weit von rechts wegzurücken als möglich". Woran Schnitzler dabei immer noch festhielt, war die fortwährend widerlegte Überzeugung von einer vernunftregierten Humanität. Sie hat sich, wie er selbst noch an den "Hakenkreuzlern" beobachten musste, nicht durchsetzen können.

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Titel: GFT 120515 Gedanken für den Tag / Konstanze Fliedl
Länge: 03:49 min

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