Gedanken für den Tag

Von Markus Schlagnitweit. "Der Weg ist nicht das Ziel". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Seit über 30 Jahren bewegt sich und reist Markus Schlagnitweit, Hochschulseelsorger in Linz sowie Sozial- und Wirtschaftsethiker an der Katholischen Sozialakademie Österreichs, am liebsten zu Fuß. Er durchwandert auf Tausenden von Kilometern ganze Länder, besteigt hohe Berge, findet Wege abseits ausgetretener Pfade.


Vom Gott der Bibel

Gelegentlich werde ich nach den wichtigsten Auswirkungen oder Ergebnissen meiner oft wochenlangen Fußmärsche gefragt. Solche Fragen sind nur schwer - und unmittelbar nach Beendigung einer großen Wanderung sowieso nicht zu beantworten - und wenn, dann eher von Menschen, die zu meinen Weggefährten gehören, auch wenn sie noch nie länger mit mir gewandert sind. - Nur im Rückblick auf viele Jahre meines Wanderns kann ich sagen, dass ich von keiner meiner großen Fußreisen unverändert zurückgekehrt bin. Vielleicht ist mir eine gewisse Lust daran zu Eigen geworden, auch in meinem beruflichen und privaten Leben immer wieder neue Ziele zu erwählen oder mich von anderen damit herausfordern zu lassen. Vielleicht wurde auch die Beharrlichkeit gestärkt, mit der ich diese Ziele dann auch durch Durststrecken hindurch und gegen Widerstände verfolge, vielleicht auch die Fähigkeit, Stille und das Alleinsein mit mir selbst auszuhalten, um mich dann umso dankbarer über Freunde und Weggefährten zu freuen.

Vor allem aber merke ich, dass sich mein Glaube und nicht zuletzt mein Gottesbild grundlegend gewandelt haben: Mir ist jeder religiöse Dogmatismus, der meint, einen festgeformten und normierten Glaubensschatz verwalten zu können, zusehends fremd geworden, jedes allzu selbstsichere Bescheidwissen über Gott und die Welt, und auch jedes ängstliche Festhalten an noch so ehedem erfolgreichen oder auch liebgewordenen Traditionen, selbst wenn diese keine ausreichende Nahrung mehr bieten. Ich habe für mich den immer wieder neu zu suchenden und stets anderen, den ewig lebendigen und niemals ganz erfassbaren Gott der Bibel wiederentdeckt, der ursprünglich ja auch "ein Gott von Nomaden" war. Ich glaube, ich habe begriffen, was Karl Strobl einmal formuliert hat, der Begründer der Universitätsseelsorge in Österreich; der sagte: "Die Grundgebärde des Glaubens ist der Aufbruch."

Service

Markus Schlagnitweit

Buch, Markus Schlagnitweit, "Boden unter den Füßen. Aufforderung zur Unruhe", Verlag Styria

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Titel: GFT 120825 Gedanken für den Tag / Markus Schlagnitweit
Länge: 03:49 min

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