Gedanken für den Tag
Von Teresa Indjein. "Vom Kostbarmachen der Zeit". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer
28. August 2012, 06:56
"Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist", hat der deutsche Journalist Robert Lembke einmal gemeint. Vielbeschäftigt zu sein, füllt zwar auch die Zeit, allerdings nicht immer mit Inhalt.
Die kleinen Momente sind es - manchmal auch die großen, die das Leben kostbar machen. Jeder Tag ist wie das ganze Leben und jede Stunde hat ihre besondere Kraft. Es gilt sie zu nützen, findet die Diplomatin Teresa Indjein. Denn die Zeit ist eine große Gabe, die man nicht verschwenden sollte. Dabei geht es Teresa Indjein nicht um getriebene Geschäftigkeit, sondern um das Schaffen von bereichernden Momenten - wie auch immer diese für den Einzelnen oder die Einzelne aussehen mögen.
Zeit für Begegnungen
Ich habe viele Jahre im Ausland verbracht und bin sehr gerne wieder in Österreich. Damals, mit zwanzig wollte ich weg, in eine größere Welt mit anderen Sprachen, wollte neuen Spuren folgen, auf der Suche nach Freiheit und fernem Glück. In späteren Jahren wurde ich Mitarbeiterin des Außenministeriums, mit einem Leben, das in ganz besonderer Weise unvorhersehbar ist. In meinem Beruf weiß man nicht, wann man wo leben wird. Man kann sich nach eigenen Wünschen zwar um einen Posten bewerben, doch die Realität sieht meist anders aus, und zwar so, dass sich ein Traumjob ins Gegenteil verwandeln kann, und der Ort, wo man wirklich nicht hinwollte, viel Gutes bringt. Fazit: Der eigene Wille weiß oft nichts von der Zukunft. Genau das sollte unsereins denken, wenn man den Gang zur Personalabteilung antreten muss, ich nenne ihn Schicksalskorridor, um gesagt zu bekommen, wo es als nächstes hingeht. So viel ist sicher: Man hat Herzklopfen.
Im Ausland arbeite ich an einer Botschaft oder einem Kulturforum. Die meiste Arbeit besteht eigentlich im Schaffen von menschlichen Begegnungen. Sie sollen in der Folge dazu dienen, gemeinsam ein Projekt zu realisieren oder auch ein Problem zu lösen. Weil man mit so vielen Menschen zu tun hat, bleibt oft nicht Zeit, viele persönliche Freundschaften zu schließen. Und dann - muss man ja nach ein paar Jahren wieder weg.
Doch der Moment der Begegnung ist da und ich versuche im Gespräch, mich auf mein Gegenüber einzustellen. Oft ist es nicht leicht, unvoreingenommen zu bleiben. Auch unausgesprochene Kritik bekommt der andere mit, und mag diese Kritik auch teilweise richtig sein, so ist sie doch falsch, weil ich die ganze Wahrheit des anderen nicht kenne, nicht seine Welt, nicht seine Wunden. Am besten, finde ich, ist es, wenn es gelingt, neutral zu bleiben, und am schönsten, wenn das Angenehme, Sympathische eines Menschen mich wie von selbst gewinnt. Dann ist es ganz leicht, zusammen zu sein, trotz der Verschiedenheit eines kulturellen Hintergrundes. Stendhal hatte recht mit dem Gedanken: Das Leben ist die Kunst der Begegnung.
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Sendereihe
Playlist
Titel: GFT 120828 Gedanken für den Tag / Teresa Indjein
Länge: 03:49 min