Betrifft: Geschichte
"Da sitzen die Herren in Fräcken beisammen, und das Volk steht nackt und gebückt vor ihnen." Krisenzeit des Vormärz. Mit Reinhard Stauber, Institut für Geschichte und Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften, Universität Klagenfurt. Gestaltung: Martin Adel
11. Jänner 2013, 17:55
Die ersten Exemplare des berühmten Hessischen Landboten sollen in der Nacht zum 31. Juli 1834 im Großherzogtum Hessen-Darmstadt verteilt worden sein. Heimlich! Und das mit gutem Grund: Nicht nur den Verfassern (allen voran Georg Büchner), allen Beteiligten - auch dem Drucker - drohte Verhaftung (und Schlimmeres!) durch die Obrigkeit.
Was ist der historische Hintergrund zu diesem revolutionären Aufruf "Friede den Hütten, Krieg den Palästen"? Schon die Karlsbader Beschlüsse von 1819 rückten die "Sicherung der inneren Ordnung" ins Zentrum der Aufgaben des Deutschen Bundes, und mehrere von Metternich diktierte Beschlüsse von 1832 verpflichteten die Regierungen unaufgefordert mit bewaffneter Hand gegen revolutionäre Bewegungen einzuschreiten; alle Vereinigungen politischen Charakters und alle "Volksversammlungen" zu unterbinden; und Steuern zur Deckung der Bundeskosten unbedingt von den Landständen zu bewilligen. Dazu die Knebelung der öffentlichen, ja selbst der privaten Meinungsfreiheit. Die Folgen der restriktiven und restaurativen Ordnungspolitik traf nicht zuletzt die ländliche Bevölkerung, die sich noch keineswegs von den Verheerungen der "Freiheitskriege" erholt hatte - und v.a. kein Druckmittel hatte, sich nicht wehren konnte.
Georg Büchner hatte also erkannt, dass das Bürgertum die Interessen des "Volkes" sofort verraten würde, wenn die eigenen Forderungen erfüllt wären: Im September 1830 war in Hessen eine Hungerrevolte der Bauern losgebrochen. Im "Blutbad von Södel'' wurde sie niedergeschlagen. Das liberale Bürgertum hingegen ließ sich durch konstitutionelle Zugeständnisse auf die Seite der Regierung ziehen und forderte in einem Aufruf zum "Gehorsam gegen die Obrigkeit" auf.
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