Gedanken für den Tag

15. Jänner 2013, 06:56

In unserer Gesellschaft gibt es keine Kultur der Dankbarkeit, das ist meine Erfahrung. Wo Dank geäußert wird, dort handelt es sich meist um sterile Formeln. In den Medien wird selten Dank ausgesprochen. In der Regel am ehesten noch in den Todesanzeigen. Das ist sicherlich gut, aber doch ein bisschen zu spät.

Eine Kultur der Dankbarkeit fördert die Wahrnehmung dessen, was ich von anderen geschenkt bekommen habe. Sie lenkt den Blick nicht so sehr auf das, was mir andere schuldig sind, sondern lehrt mich, das zu sehen, was ich selber anderen schulde. Sie lehrt mich, nicht die eigenen Ansprüche in den Vordergrund zu stellen. Sie öffnet mir vor allem die Sinne dafür, was ich Tag für Tag als Geschenk empfange. Das Selbstverständliche wie etwa Luft, Licht, Wasser wird ganz neu entdeckt. Die oft unfreundlich scheinende Wirklichkeit zeigt mit einem Mal zauberhafte Seiten. Wer hört das Wehen des Windes? Wer freut sich über die stille Schönheit der Bäume im Winter? Wer sieht die Pracht opalisierender Farben am Hals der Taube?

Eine Kultur der Dankbarkeit verwandelt die Grundlage aller menschlichen Beziehungen, von der Familie bis hin zu ganzen Völkern. Wenn die Geschichte von Völkern und Kulturen unter dem Gesichtspunkt betrachtet wird, wie sehr sie sich gegenseitig befruchtet haben, wie viel der Andere zum eigenen Wohl beigetragen hat, dann entsteht aus der Dankbarkeit die Freude am Zusammenleben mit dem Anderen, dem Fremden. Das Gleiche gilt für die Religionen. Wie wenig haben Christen den Juden gedankt für all das, was sie von ihnen erhalten haben. Wie wenig ist in Europa das Bewusstsein vorhanden für die Bereicherung, die unsere Kultur durch Vermittlung von Muslimen erfahren hat.

Service

Buch, Gustav Schörghofer, "danke tausendmal. Wie positives Denken und Dankbarkeit das Leben verändern", Verlag Styria

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