Radiokolleg - Die Stimmen der Anderen
Theorien des Postkolonialismus (3). Gestaltung: Nikolaus Halmer
16. Jänner 2013, 09:30
Der Postkolonialismus wird häufig als ein historischer Prozess gedacht, der nach dem Ende des Kolonialismus eingetreten ist. Die Auflösung der europäischen Kolonialreiche im Laufe des 20. Jahrhunderts bedeutet nicht, dass damit auch die Strukturen des Kolonialismus beseitigt wurden. Theoretiker/innen des Postkolonialismus weisen darauf hin, dass die Nachwirkungen des Kolonialismus auch heute noch in verschiedenen Formen präsent sind. Häufig wird vergessen, dass gewalttätige Auseinandersetzungen in Afrika oder Indien ein Erbe des Kolonialismus sind, der, um mit dem französischen Philosophen Michel Foucault zu sprechen, eine "blutige Macht" war.
Der zweite wichtige Gesichtspunkt der postkolonialistischen Theorie besteht darin, dass sie neben der gewalttätigen Vorgangsweise des Kolonialismus auch seine symbolischen Aspekte anspricht. Es werden nicht nur die Ausbeutung der indigenen Völker, die Genozide, und die Sklaverei als Vermächtnis des Kolonialismus thematisiert, sondern auch die Gewalt, die von wissenschaftlichen Diskursen ausging. Postkoloniale Theoretiker/innen entwickeln eine alternative Geschichte, eine "Geschichte von unten", die die Situation "subalterner" Menschen im "globalen Süden" beschreibt. "Subalterne" sind jene Menschen, die in der jeweiligen Gesellschaft benachteiligt oder gar ausgegrenzt werden, ob sich dies nun in den Begriffen von Klasse, Rasse, Kaste, Alter oder Geschlecht ausdrückt. Die postkolonialen Theoretiker/innen versuchen, jenen Ausgegrenzten eine Stimme zu verleihen.
Service
Chinua Achebe: Alles zerfällt, S.Fischer Verlag
Arjun Appadurai: Die Geographie des Zorns, edition suhrkamp 2541
Homi K. Bhabha: Die Verortung der Kultur, Stauffenberg Verlag
Dipesh Chakrabarty: Europa als Provinz, Perspektiven kolonialen Geschichtsschreibung, Campus Verlag
Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Campus Verlag
Andreas Eckert/Shalini Randeria: Vom Imperialismus zum Empire, edition suhrkamp, Band 2548
Mahasweta Devi: Aufstand im Munda-Land, Hörlemann Verlag
Nikita Dhawan/Maria do Castro Varela: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung, Transcript Verlag
Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde, Suhrkamp Verlag
Ranajit Guha: Aspects of Peasant Insurgency in Colonial India, Duke University Press
Ina Kerner: Postkoloniale Theorien, Junius Verlag
Miriam Nandi: M/Other India/s, Universitätsverlag Winter Heidelberg
David van Reybrouck, Kongo. Eine Geschichte, Suhrkamp Verlag
Edward Said: Orientalismus, S. Fischer Verlag
Arno Sonderegger/Ingeborg Grau/Birgit Englert (Hrsg.): Afrika im 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft, Promedia Verlag
Gayatri Chakravorty Spivak: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation, Turia und Kant Verlag
Brigitte Voykowitsch: Dalits. Die Unberührbaren in Indien, Apfel Verlag
Fabier Didier Yene: Bis an die Grenzen. Chronik einer Migration, Drava