Salzburger Nachtstudio
Lob der Skepsis. Zum 85. Geburtstag des Philosophen Odo Marquard
Gestaltung: Günter Kaindlstorfer
20. Februar 2013, 21:00
Anfang der 80er Jahre postulierte er den "Abschied vom Prinzipiellen": Odo Marquard, 1928 in der hinterpommerschen Stadt Stolp geboren, gehört zu den einflussreichsten Vertretern der modernen philosophischen Skepsis. Als Angehöriger der von Helmut Schelsky so genannten "Skeptischen Generation" fand der frühere "Adolf-Hitler-Schüler" Marquard als Student des legendären Münsteraner Philosophen Joachim Ritter in den späten 1940er Jahren zur Philosophie.
"Die Wende zur Skepsis war für jene Generation, zu der ich gehöre, nicht das Außergewöhnliche, sondern das Normale", erinnerte sich Marquard 1981: "Außergewöhnlich war nur, dass ich mit dieser Wende zur Skepsis unter die Philosophen geriet. Denn Philosophie als Studium: das bedeutet - damals wie heute - in aller Regel nicht den Beginn einer erfolgreichen Karriere, sondern den Beginn einer persönlichen Tragödie."
Eine Tragödie, die Odo Marquard durch die Jahre hindurch auf durchaus leichtfüßige Weise zu interpretieren wusste: Seine philosophischen Essays, in ihrer Mehrzahl bei Reclam erschienen, verbinden stilistische Eleganz und hintersinnigen Humor mit dem Humanismus des skeptischen Aufklärers. Seinen Anhängern gilt Odo Marquard als einer der brillantesten Stilisten der deutschen Nachkriegsphilosophie: "Philosophie muss von der Art sein, dass zumindest der Autor sie versteht", hat der Ironiker aus Gießen einmal postuliert.
Im Zentrum des Marquardschen Denkens steht der Mensch als Mängelwesen. Seine limitierte Lebenszeit ermöglicht es dem Menschen nicht, philosophische und erkenntnistheoretische Fragen letztgültig zu beantworten. Davon ausgehend entwickelt Odo Marquard nicht nur seine "kompensatorische Philosophie", sondern auch sein "Lob des Polytheismus" und der Gewaltenteilung sowie seine "Apologie der Bürgerlichkeit".
Zum 85. Geburtstag des Giessener Philosophen erscheint bei Reclam ein neues Werk aus Marquards Feder: "Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern". Mit dem Altwerden, dem "Lebensabschnitt der Zukunftsverminderung", hat sich Odo Marquard auch in früheren Texten schon auseinandergesetzt: "Im Alter schrumpft die eigene Zukunft gegen null", diagnostiziert der demnächst 85jährige, dadurch könne der alte Mensch sich eine Radikalität leisten, die Jüngeren nicht zu Gebote stünde: "Alte Menschen können unbekümmerter nicht nur merken, sondern auch reden... Das kann man ausnutzen; man kann das eigene Taktbedürfnis einschläfern und dadurch zuweilen schamlos offen sein."