Im Gespräch

28. Februar 2013, 21:00

Stéphane Hessels Motto "Empört euch!" war mehr als ein Titel für das gleichnamige schmale Buch, mit dem er im Jahr 2010 mit einem Schlag weit über Europa hinaus bekannt, ja berühmt wurde. Ein Jahr danach folgte "Engagiert euch!", ein kraftvoller Aufbruch, der vor adressiert an die europäische Jugend adressiert war.
Der Satz "So geht es nicht weiter!" war dann folgenrichtig als Wegweiser zu verstehen, den der ungeduldige Stéphane Hessel als Leitsatz für das Gespräch mit Michael Kerbler verstanden wissen wollte.
Hessel, Sohn des Schriftstellers Franz Hessel und der Journalistin Helen Grund, hat sich 1941 der französischen Widerstandsbewegung "Résistance" gegen die Nazis angeschlossen, wurde verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert, aus dem er im April 1945 entkommen konnte. Hessel hat an der Entstehung der Charta der Menschenrechte mitgewirkt. Diese Charta beziehungsweise die darin festgeschriebenen Grundwerte bildeten für Hessel das Fundament für die Strategien des Aufbruchs, die die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen angesichts "starker Finanzmächte und schwacher Regierungen" (Hessel) möglich machen soltlen: Gewaltlosigkeit, Gelassenheit, eine Haltungsänderung vom "Ich" in Richtung "Wir".
Um Wege zurück zu einem würdevollen Leben zu finden, müsse wieder - so Stéphane Hessel - der Freiheitsgrad der Menschen, die gefühlte Freiheit, die Selbstbestimmung größer werden. Soziale und politische Experimente seien dafür notwendig, forderte der agile Vordenker, der den Entwurf von Utopien für unerlässlich hielt, damit Veränderung möglich wird. Hessel verwies Zweifler nachdrücklich auf die Überwindung des Kolonialismus, des Stalinismus aber auch auf den Sturz des nationalsozialistischen Regimes, was damals als erwünscht, aber als unrealistisch galt. Hessel, Diplomat mit jahrzehntelanger Erfahrung, wollte im Prozess der gesellschaftlichen Veränderung auf nationaler Ebene nicht auf das Parlament und im globalen Kontext nicht auf Institutionen - wie zum Beispiel auf die UNO - verzichten. Auch deshalb fiel im Herbst 2011 die Wahl für den Ort der Begegnung mit Stéphane Hessel auf das Parlament in Wien. Parlamentspräsidentin Mag. Barbara Prammer hatte Stéphane Hessel und Michael Kerbler eingeladen, ihr Gespräch über den neuen Aufbruch und die Strategien, Demokratie und Parlamentarismus wieder deckungsgleich zu machen, dort zu führen, wo üblicherweise der Nationalrat tagt: im Plenarsaal, dem Zentrum des Parlaments. Und wer heute den Ausführungen Stéphane Hessels folgt, wird sich nicht des Eindrucks erwehren können, dass er mit vielen seiner Aussagen ein Vermächtnis formuliert hat.

Service

Übrigens: dieses Gespräch von Michael Kerbler mit Stéphane Hessel ist unter dem Titel "Gerechter Zorn!" in der Reihe "gehört. gelesen." in Buchform plus CD im Wieser Verlag, Klagenfurt, erschienen. (ISBN 978-3-99029-001-9)


Stéphane Hessel, Empört Euch!, aus dem Französischen von Michael Kogon, Verlag Ullstein (ISBN 978-3-550-08883-4)

Stéphane Hessel, Engagiert Euch! - Stéphane Hessel im Gespräch mit Gilles Vanderpooten, aus dem Französischen von Michael Kogon, Verlag Ullstein (ISBN 978-3-550-08885-8)

Stéphane Hessel und Edgar Morin, Wege der Hoffnung, Verlag Ullstein (ISBN 978-3-550-08006-7)

Stéphane Hessel, Empörung - meine Bilanz, Pattloch Verlag München (ISBN 978-3-629-13009-9)

Manfred Flügge, Stéphane Hessel - ein glücklicher Rebell, Aufbau Verlag Berlin (ISBN 978-3-351-02744-5)

Eberhard Sandschneider, Der erfolgreiche Abstieg Europas. Heute Macht abgeben, um morgen zu gewinnen, Hanser Verlag (ISBN 978-3-446-42352-7)

Wolfgang Radlegger, Vom Stillstand zum Widerstand. Zeit zu Wandel, Karikaturen von Thomas Wizany, Christian Brandstätter Verlag Wien (ISBN 978-3-85033-606-2)

Hugo Portisch, Was jetzt, ecowin Verlag Salzburg (ISBN 978-3-7110-0019-4)

Giorgio Agamben, Ausnahmezustand, aus dem Italienischen von Ulrich Müller-Schöll, Edition Suhrkamp, Suhrkamp Verlag (ISBN 3-518-12366-1)

Felix Ekardt, Wird die Demokratie ungerecht? Politik in Zeiten der Globalisierung, Beck'sche Reihe, Verlag C.H. Beck München (ISBN 978-3-406-54799-7)

Tony Judt, Dem Land geht es schlecht. Ein Traktat über unsere Unzufriedenheit, aus dem Amerikanischen von Matthias Fienbork, Carl Hanser Verlag München (ISBN 978-3-446-23651-6)

Ralf Dahrendorf, Die Krisen der Demokratie. Ein Gespräch mit Antonio Polito, aus dem Italienischen von Rita Seuß, Verlag C.H. Beck München (ISBN 3 406 48750)

Pierre Rosanvallon, Demokratische Legitimität. Unparteilichkeit - Reflexivität - Nähe, aus dem Französischen von Thomas Laugstien, Verlag Hamburger Edition 2010 (ISBN 978-3-86854-215-8)

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