Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Essstörungen - Die Flucht vor dem eigenen Körper

Hungern bis zum Umfallen, Essen, um danach zu Erbrechen, heimliche "Fressattacken": Essstörungen wie Anorexia nervosa, Bulimie und Binge-Eating-Disorder (BED) sind schwere psychiatrische Störungsbilder, die vor allem junge Frauen und Mädchen betreffen. Mehr als 200.000 Österreicherinnen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Essstörung. Anorexia nervosa, landläufig als "Magersucht" bezeichnet, ist die tödlichste aller psychiatrischen Erkrankungen. Die jährliche Todesrate bei Anorexia nervosa ist etwa zwölf Mal höher als andere Sterbeursachen bei Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren. Essstörungen betreffen zunehmend auch Männer - etwa fünf bis zehn Prozent der Essgestörten sind männlichen Geschlechts.
An Erklärungsmodellen, was denn die Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung von Essstörungen sein könnten, mangelt es nicht. Diese reichen von "flight from growth", also die Flucht vor dem Erwachsenwerden, über Traumata im Kindesalter oder biologisch-genetische Ursachen bis hin zu soziokulturellen Erklärungen.
Die Wissenschaft geht davon aus, dass eine Essstörung durch ein Bündel von Faktoren begünstigt wird und daher bei der Behandlung unterschiedliche Ansätze berücksichtigt werden müssen. Die gute Nachricht vorweg: Essstörungen sind heilbar. Je früher eine Therapie beginnt, desto erfolgversprechender ist sie. Bei jungen Betroffenen und sehr frühem Therapiebeginn liegen die Heilungschancen einer Anorexia nervosa bei 70 Prozent. Bessere Prognosen hat die Bulimie. Diese wird jedoch oft später diagnostiziert, weil Betroffene sie länger "geheim" halten können.
Wichtig ist es bei diesen Erkrankungen, dass Eltern und Mediziner engmaschig zusammenarbeiten und beim ersten Verdachtsmoment spezialisierte Zentren eingebunden werden. Derartige Einrichtungen betreibt das Wiener Zentrum für Frauengesundheit seit 15 Jahren. Ziel ist es, niederschwellig professionelle Beratung und Hilfe anzubieten. Aktivitäten sind unter anderem Infokampagnen, Workshops in Schulen und über die Essstörungshotline finden pro Jahr etwa 2.000 Beratungen statt.
Diesmal diskutieren Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos und ihre Gäste über Entstehung, Prävention und Therapie von Essstörungen und darüber was Eltern tun können, wenn sie den Verdacht haben, dass ihr Kind eine Essstörung entwickelt.

Eine Sendung von Doris Simhofer.
Redaktion: Christoph Leprich

Service

Ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Karwautz (Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Leiter der Ambulanz für Essstörungen im Kindes- und Jugendalter, Medizinische Universität Wien, AKH)
Mag.a Michaela Langer (Klinische und Gesundheitspsychologin, Stv. Leitung des "Wiener Programm für Frauengesundheit")

Wiener Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
ÖGES - Österreichische Gesellschaft für Essstörungen
Beratungsstellen österreichweit
Spezialambulanz für Essstörungen der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie AKH Wien

Gratis-Hotline für Essstörungen des Wiener Programms für Frauengesundheit: 0800/20 11 20

Netzwerk Essstörungen
sowhat Wien - Institut für Menschen mit Essstörungen
intakt - Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen
Frauengesundheitszentrum Graz
Frauengesundheitszentrum ISIS - Gesundheit und Therapie für Frauen
Linzer Frauengesundheitszentrum
Frauengesundheitszentrum Kärnten
Kontaktstelle bei Essstörungen des Sozialmedizinischen Dienstes
Essstörungen: Forschung - Lehre - Therapie
Leitlinien zur Diagnostik und Therapie
Essstörungen und assoziierte Krankheitsbilder - 5. Wiener Postgraduelle Fortbildung
(15./16. März 2013)

Forschungsverbund zu Essstörungen
Essstörungsbroschüre "Ich liebe mich, ich hasse mich"

Anke Nolte, "Essstörungen. Hilfe bei Anorexie, Bulimie und Binge-Eating", Stiftung Warentest 2013

Helga Simchen, "Essstörungen und Persönlichkeit: Magersucht, Bulimie und Übergewicht - Kinder und Jugendliche im Konflikt zwischen Wollen und Können", Kohlhammer Verlag 2010

Michael Schulte-Markwort, Sabine Zahn, "Magersucht - Effektive Hilfe für Betroffene und Angehörige", Patmos Verlag 2011

Sendereihe