Gedanken für den Tag

18. März 2013, 06:56

"Hat sie wirklich geschlafen?", fragt mich mein Sohn, nachdem ich heldenhaft als junger Prinz, kräftig um mich schlagend, das widerspenstige Gewächs zu bändigen, die Dornenhecke überwunden hatte und in dem Schloss, ganz oben, im letzten Stübchen das hübsche Mädchen mit der blassen Haut und Lippen, die so rot wie Blut mir schienen, durch einen Kuss zurück ins Leben geführt hatte.
"Wie?"
"Na, hat sie wirklich geschlafen, das Dornröschen?"
"Ach so! Nein, das hat sie nur gespielt! Weißt du, sie tut so, als würde sie schlafen und wartet auf den Prinzen, der sie aus ihrem hundertjährigen Schlaf holen wird. Es sind ja auch nicht wirklich hundert Jahre. Das würde ja viel zu lange dauern."
"Und der Küchenjunge? Hat der auch nur gespielt, dass ihm die Ohrfeige weh tut?"
"Genau! Ich habe ihn nicht wirklich geschlagen. Ich habe nur so getan als ob, und er hat so getan, als würde es ihn schmerzen."
"Weil man darf nicht hauen!"
"Ja, und außerdem ist das Theater. Theaterspielen. So wie wenn wir zu Hause Einkaufen spielen, oder Geburtstag spielen, weißt du?"
"Das Dornröschen hat ja auch nicht echt geblutet. Als sie sich gestochen hat mit der Dings."
"Mit der Spindel. Genau. Aber in der Geschichte hat sie schon geblutet. Und das Blut ist dann auf den Schnee getropft. Und das sah so schön aus ..."
"Papa!"
"Ja."
" Papa, hast du sie in Echt geküsst?"
"Ahmm ... Na ja. Weißt du, auf der Bühne war ich ja nicht der Papi, sondern der Prinz. Und der Prinz hat das Dornröschen geküsst."
"Und im Spiel war es echt."
"Ja, und dann ist sie aufgewacht."
"Aus dem hundertjährigen Schlaf."
"Genau."
"Aber das hat sie nur gespielt."
"In Echt hat sie es gespielt. Ja."

Und dann sind wir in den Park gegangen und haben Sandkuchen gebacken, die ganz herrlich geschmeckt haben.

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