Da capo: Im Gespräch

"Philosophen sind machtlos". Michael Kerbler spricht mit Uni. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann, Philosoph

Es geht ein Gespenst um in Europa: das Gespenst der Fremdbestimmtheit. Eine wachsende Zahl von Europäern zweifelt daran, dass die Demokratie als Staatsform noch vital genug ist, um zu garantieren, dass das Recht tatsächlich vom Volk ausgeht. Das Volk, so betonen die Zweifler, sei bloß nur mehr aufgefordert an Wahlen teilzunehmen. Unabhängig davon, ob dies bedeute, tatsächlich eine Wahl zu haben.

Und viele europäische Bürger, allen voran viele Griechen, Irländer, Portugiesen und nun auch Zyprioten, nehmen ihre Regierungen nicht mehr als die ihre wahr, sondern als Interessensvertreter oder gar Sachwalter von internationalen Organisationen. Demokratie ist - nicht zuletzt deshalb - in den Augen vieler Europäer ungerecht geworden. In der schärfer werdenden Debatte um die politischen Entscheidungsabläufe in Europa verschafft sich ein Vorschlag immer häufiger Gehör: eine Wissenschaftsdisziplin, nämlich die Philosophie, solle stärker zu Rate gezogen werden soll, wenn es gilt tiefgreifende gesellschaftspolitische Probleme zu lösen. Etwa dann, wenn Lösungsansätze gefragt sind, bei denen bloße Kosten-Nutzen-Rechnungen nicht weiterhelfen. Wo Ethik als Orientierungshilfe vonnöten ist.

Doch schon die politische Theoretikerin Hanna Arendt warnte: "Der Philosoph, der in der Öffentlichkeit eingreifen will, ist kein Philosoph mehr, sondern Politiker; er will nicht mehr nur Wahrheit, sondern Macht." Wo also soll die Grenze gezogen werden? Soll sich der Philosoph verweigern, die Politik zu beraten? Soll sich die Philosophin verweigern, der Gesellschaft zu dienen, wenn sie gemeinsam mit der politischen Klasse die Demokratie vor einem "Burn Out" bewahren kann? Wo muss der Philosoph die Grenze zu ziehen zur Politik? Um darüber zu debattieren hat Michael Kerbler den Philosophen Konrad Paul Liessmann zum Gespräch eingeladen.

Service

Konrad Paul Liessmann, "Lob der Grenze - Kritik der politischen Unterscheidungskraft", Paul Zsolnay Verlag, Wien (ISBN 978-3-552-05583-4)

Wolfgang Welsch, "Mensch und Welt. Eine evolutionäre Perspektive der Philosophie", Zusammenfassung von acht Vorlesungen des Universitätsprofessors in einem Band, beck'sche reihe des Verlags C. H. Beck, München 2012 (978 3 406 63082 8)

Wilhelm Weischedel, "Die philosophische Hintertreppe. Die großen Philosophen in Alltag und Denken", Jubiläumsedition, dtv - Deutscher Taschenbuchverlag, München (ISBN 3-423-19511-8)

Jean Améry, "Aufsätze zur Philosophie", sechster Band, herausgegeben von Gerhard Scheit, Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart (ISBN 3-608-93566-5)

Norbert Hoerster, "Was können wir wissen? Philosophische Grundfragen", beck'sche reihe, Verlag C. H. Beck, München 2010 (ISBN 978 3 406 600944)

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