Gedanken für den Tag

Katharina Strasser liest: "Liebesfähig zu werden ist das Ziel des Lebens" - Zum 10. Todestag von Dorothee Sölle. Gestaltung: Alexandra Mantler

Gott hat die Welt nicht so geschaffen, wie eine Töpferin einen Topf, ein Konstrukteur eine Maschine schafft, als ein fertiges Ding, das man wegwirft, wenn es nicht mehr funktioniert. Die Schöpfung ist bestimmt von einem Rhythmus, einem Wechsel, den wir als Tag und Nacht, Sommer und Winter, Ebbe und Flut, Wärme und Kälte, Jugend und Alter erleben. Wenn Gott in den biblischen Erzählungen am Ende schließlich alles als sehr gut ansieht, so ist nicht Perfektion, ewige Dauer, unveränderlicher Bestand gemeint, sondern dieser Rhythmus des Lebens. Ich liebe ihn. Der Wechsel der Jahreszeiten ist für mich nicht eine bedauerliche Panne, dass dann schon wieder der Frühling vorbei ist, etwas Vermeidbares, sondern ein Teil, des - fast möchte ich ganz altmodisch sagen - irdischen Lebens, das von und in diesem Wechsel lebt. Was mir Angst macht, ist die technokratische Sicherheit; dass jederzeit alles, was es auf Erden gibt, verfügbar und käuflich ist. Erdbeeren auch im Dezember, Frühling für Touristen jederzeit, man fliegt nur in die Länder, wo er gerade ist.

Das Element der Zeit, das Kommen und Gehen, der Rhythmus des Lebens wird in die Verfügbarkeit hinein aufgehoben. Je virtueller die Welt wird, desto weniger brauchen wir noch wahrzunehmen, dass die Blätter an den Bäumen kommen und gehen.

Wir brauchen eine neue Spiritualität, die den Rhythmus des Lebens kennt und akzeptiert. Wir sollten uns selber unterbrechen, um diesen Rhythmus des Lebens wahrzunehmen und uns in ihn einzustimmen. Er ist vor uns da und nach uns da. "Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat 12 Stunden, dann kommt schon der Tag", so Bertolt Brecht. Diese Hoffnung kann nur überleben, wenn wir lernen in den Rhythmus einzuwilligen.
Aus: Beherrschen und Besitzen (Descartes) - oder Hüten und Bewahren (Gen. 2,15) - was wollen wir? Vortrag von Dorothee Sölle / lebenshaus-alb.de, 3.12.2001

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert/1797 - 1828
Titel: Sonate für Arpeggione und Klavier in a-moll DV 821 / Bearbeitung für Klarinette und Klavier in g-moll
* Allegro moderato - 1.Satz (00:07:44)
Solist/Solistin: Gervase de Peyer /Klarinette
Solist/Solistin: Gwenneth Pryor /Klavier
Länge: 02:20 min
Label: Chandos 8506

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