Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant. Den Himmel suchen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Über die Schriftstellerin Toni Morrison, die vor 20 Jahren den Nobelpreis für Literatur erhielt:

Was sind Schiffe? Transportmittel, mit denen man aufbricht, Fische zu fangen oder die Welt zu entdecken. Orte, in denen man Schutz findet, wie in der Arche Noah. Oder schwimmende Gefängnisse, die Sklaven von Afrika nach Amerika bringen.

Schiffe sind sehr ambivalent.

Durch die Romane von Toni Morrison fahren oft Schiffe. Im Roman "Menschenkind" werden auf Schiffen Millionen von Sklaven und Sklavinnen von ihrer Heimat in die Neue Welt verschleppt. Im Roman "Gnade" bekommt man auch weiße Sklaven zu sehen: Jene Auswanderer, die sich selbst verkauften, um ein Schiffsticket erlangen zu können, um in der Neuen Welt neu anfangen zu können. Doch die nächsten Jahrzehnte werden davon geprägt sein, die Schulden abzubezahlen. Wer da an zeitgenössische Schlepperdienste und Frauenhandel denkt, liegt nicht falsch.

In Morrisons Texten gibt es aber auch Schiffe als Arche Noah, die Heimat und Unterschlupf bietet.

Auch Religion scheint in ihren Romanen wie ein Schiff: Sie kann ein Ort des Schutzes, der Heimat, der heilenden Gemeinschaft sein, aber auch zum Ort der Gewalt werden. Am deutlichsten hat Morrison diese schrecklichen und heilenden Möglichkeiten in ihrem Roman "Paradies" zum Ausdruck gebracht.

Im Ort Ruby haben ehemalige Sklaven versucht, eine Heimat zu gründen. Das haben sie getan, indem sie alles Fremdartige aussperrten. Alles, was ihre Vorstellung von Paradies stört. Zum Beispiel diese Frauen, die in einem ehemaligen Kloster Unterschlupf gesucht haben. Die Männer fühlen "Gott an ihrer Seite", wenn sie ihre Waffen nehmen und das Kloster stürmen.

In diesem ehemaligen Kloster hat eine andere Art Gemeinschaftsleben begonnen. Fünf Frauen haben hier sehr verschiedene schreckliche Schicksale zusammengebracht. Nach vielen Kämpfen gegeneinander bilden sie eine Lebens- und Erzählgemeinschaft. Sie teilen einander ihre Verletzungen mit, können einander damit ein wenig heilen.

Immer wieder und auch hier erzählt Morrison, dass Gottes Nähe nichts Jenseitiges ist - und Gott vielleicht gerade die Frau nebenan.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Michael Pewny
Album: LEFT HAND ROLLER
Titel: Midnight crawl/instr.
Solist/Solistin: Michael Pewny /Piano
Ausführender/Ausführende: Michael Strasser /Drums
Länge: 02:00 min
Label: Bellaphon 29031017

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