Radiokolleg - Der Reiz der Commons
Gemeingüter als neue wirtschaftspolitische Leitidee?
(1). Gestaltung: Armin Medosch
15. Juli 2013, 09:30
Das Informationszeitalter hat der Welt eine unerwartete Innovation beschert, die Emergenz des digitalen Commons. Menschen produzieren freiwillig und gemeinsam so komplexe Dinge wie Computerbetriebssysteme und Online-Enzyklopädien. Die natürlichen Commons - wie z. B. gemeinschaftlich genutzte Wiesen, Wälder oder Fischteiche - wirkten bis vor kurzem als Relikte der Vergangenheit. Nun aber greifen immer mehr Menschen die Idee des Commons auf und rücken diese ins Zentrum eines neuen Gesellschaftsentwurfs. Die Commons-Bewegung glaubt, dass die politische Ökonomie der Gemeingüter die Lösung für die drängenden Probleme der Gegenwart beinhaltet. Anstatt auf Privateigentum und Wachstumsideologie setzen sie auf gemeinsame, kollaborative Arbeitsweisen, flache Hierarchien und Gemeineigentum. Wenn es nach ihnen geht, eignen sich Wirtschafts- und Organisationsformen des Commons nicht nur für Software, sondern auch für ökologische Landwirtschaft, soziale und ethische Banken, Bildung und Forschung. Handelt es sich dabei um Wunschdenken oder um eine tatsächliche, pragmatische Alternative zum kapitalistischen Wettbewerb? Können Commons mehr sein als eine Nische im Neoliberalismus? Selbst das erfolgreichste Modell, die Open-Source-Software, floriert in enger symbiotischer Beziehung mit multinationalen Informationskonzernen. In den armen Ländern des Südens, wo Milliarden von Kleinbauern und -bäuerinnen auf die Nutzung natürlicher Commons angewiesen sind, schreitet deren Zerstörung voran. Zu naiven Höhenflügen über die Commons-Utopie gibt es also nur wenig Anlass. Armin Medosch wirft einen nüchternen Blick auf die Ausbreitung der Commons-Idee. Kann die Commons-basierte Ökonomie zum neuen wirtschaftspolitischen Leitgedanken werden? Welche Infrastrukturen wären dazu nötig? Was müsste auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene getan werden, um die Entstehung neuer Gemeingüter zu fördern? Sind Bildung und Wissen nicht so etwas wie natürliche Commons? Wie aber lässt sich dieser Status in der Realität verankern, die nach wie vor von steigender Ungleichheit geprägt ist?
Service
Literatur:
The Wealth of the Commons. A World beyond Market and State.
Edited by David Bollier and Silke Helfrich. Levellers Press/USA, November 2012.
The Sharing Solution: How to Save Money, Simplify Your Life & Build Community. Janelle Orsi and Emily Doskow, NOLO, 2009
Wiki Government: How Technology Can Make Government Better, Democracy Stronger, and Citizens More Powerful, Beth Simone Noveck, Brookings Institution Press, 2009
Viral Spiral: How the Commoners Built a Digital Republic of Their Own, David Bollier, New Press, 2009
Weiterführende Links:
Fundgrube für alles zum Thema Commons und P2P
Commons Blog von Silke Helfrich
Gemeingüter Report: Wohlstand durch Teilen