Gedanken

28. Juli 2013, 09:05

"Ich bin an sich ein sehr sesshafter Mensch." Dieses Geständnis des Schriftstellers Karl-Markus Gauß mag erstaunen, hat er doch in den letzten Jahren vor allem Reisebücher verfasst, Reportagen über seine zahlreichen Expeditionen zu den vergessenen und vertriebenen Minderheiten des europäischen Kontinents.

Fortfahren um des Fortfahrens willen, die Reise als rein poetischer Akt, das ziellose Herumflanieren ist seine Sache nicht. Dem vielzitierten genialen Dichter-Blick misstraut er und bricht stets gut vorbereitet in die Fremde auf. "Ich will ja nicht als Analphabet der Gefühle und des historischen Wissens durch die Gegend taumeln. Wenn ich die Reisebücher der sogenannten Pop-Literaten lese, die fahren ahnungslos weg, kommen irgendwo in der Exotik an, missverstehen die einfachsten Alltagsriten und Alltagsbräuche und können nichts anderes genießen als ihre eigene Dummheit und Fremdheit."

Seit mehr als zwei Jahrzehnten gehört der scharfzüngige Kritiker Karl-Markus Gauß zu den herausragenden Figuren des europäischen Geisteslebens. Als Herausgeber der Zeitschrift "Literatur und Kritik" betätig er sich zudem als engagierter Entdecker junger Talente. Die "Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung" hat Gauß 2010 den renommierten Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay verliehen. "In seinen brillanten Essays und Journalen", so die Jury, "hat er die Ränder Europas mit ihren vielen vergessenen und verdrängten Kulturen erschlossen und uns damit den einzigartigen kulturellen Reichtum jenseits der Grenzen der Globalisierung aufgezeigt".

Unterwegssein und bei sich sein - in diesem Wechselspiel entstehen die Bücher von Karl-Markus Gauß. Die Antriebskraft dazu kann durchaus biografischen Ursprungs sein, denn der 1954 in Salzburg geborene Autor stammt von Donauschwaben ab. "Ich bin das Kind von Flüchtlingen und glaube mich nicht zu täuschen, dass ich schon früh ein Gespür dafür hatte, dass sich in der Geschichte meiner eigenen, kleinen, doch so weit verstreuten Familie auch die große Geschichte spiegelte, mit all ihren Verheißungen und Versprechen, mit ihren Verwerfungen und Verheerungen, und dass das eine, das man als ganz privat zu nehmen geneigt ist, mit dem anderen, das für das Allgemeine gilt, vielfältig zusammenhängt."

Autobiografische Züge trägt auch das neue Buch des Autors, das am 29.Juli im Zsolnay Verlag erscheinen wird. In "Das Erste, was ich sah" erzählt Gauß von den ersten sinnlichen Eindrücken eines Kindes in der Mitte des 20.Jahrhunderts, das früh die Macht der Wörter erahnen lernt und sich in den Geschichten, die es hört, die Welt auf seine eigene Weise erklärt.

Sendereihe

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Gestaltung

• Doris Glaser