Gedanken für den Tag

6. September 2013, 06:56

Auch am zweiten Tag von Rosch HaSchana machte sich Familie Grünwald auf den Weg in die Synagoge. Robert Grünwald war erleichtert, als die Sicherheitsleute sie am Eingang freundlich hereinwinkten. Seine Frau empfand es als Zumutung, wenn man sich mühsam ausweisen und die Tasche öffnen musste, nur weil die Sicherheitskraft neu war und die Gemeindemitglieder nicht kannte.

Das Hallo im Garderobenbereich war schon ein wenig gedämpfter, schließlich war man sich am Vortag bereits begegnet. Während der zehnjährige David seinem Vater zu den Männerplätzen im Erdgeschoss folgte, stiegen Elisheva Grünwald und ihre Tochter Hannah die gewendelten Treppen in den zweiten Stock hinauf, weil sich ihre Sitze auf der oberen Frauengalerie befanden. Hannah liebte es, dort oben zu sein. Wenn sie die Augen hob zum hellblau gestrichenen Plafond mit seinen vielen, vielen goldenen Sternen, kam sie immer ins Nachdenken und Tagträumen.

Man solle sich etwas vornehmen für das neue Jahr, hatte die Lehrerin in der Schule gesagt - und auch Papa und der Rabbiner. Das war wirklich keine leichte Aufgabe. Da sah Hannah auf der anderen Seite der Galerie Ronit vorbeigehen. Ronit war erst vor drei Wochen aus Israel nach Wien gezogen, weil ihre Eltern nun hier arbeiten würden. Und sie war neu in Hannahs Klasse. Sie saß sogar fast neben Hannah, nur Dana war noch dazwischen, Hannahs beste Freundin. Deutsch sprach Ronit überhaupt nicht. Aber Hebräisch konnte sie natürlich supergut.

Und da wusste Hannah schon, was sie tun wollte. Sie würde sich mit Ronit anfreunden und ihr beim Deutsch Lernen helfen. Als sie nur mehr auf ihrem Sitz hin- und herwetzte, sagte Elisheva Grünwald, "wenn du mit deinen Freunden spielen gehen willst, dann geh". Erleichtert sprang Hannah auf und machte sich daran, Ronit zu suchen.

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