Zwischenruf

von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)

"Die Sprache der Liebe"

Der Wahlkampf kommt in die Zielgerade. Bei TV-Konfrontationen sollen sich die Zuseherinnen und Zuseher ein Bild machen. Ich erinnere mich an eine Debatte in der vergangenen Woche. Da sitzen zwei Herren einander gegenüber, Am Ende der Konfrontation zückt der eine Herr ein Wahlplakat mit türkischem Text und bezichtigt sein Gegenüber, Wahlwerbung auf Türkisch zu betreiben, was den anderen auf die Palme bringt.

Und prompt distanziert sich auch der Angegriffene davon, spricht von einer Unterstellung und dass natürlich alle von seiner Partei verantworteten Plakate auf Deutsch gedruckt würden.

Eine befremdliche Debatte. Noch dazu, wenn man weiß, dass es mit einer Ausnahme in allen Parteien Kandidaten gibt, die ihre potentielle Wählerschaft in deren Muttersprache zu erreichen versuchen. Was ist denn dabei? Wahlkampf ist emotional. Da erreicht man Menschen eher in ihrer Muttersprache, selbst jene, die perfekt deutsch sprechen und verstehen.

Alle Parteien haben anscheinend Angst davor, als nicht patriotisch genug aufzutreten und sich dem Vorwurf auszusetzen, Flanken zu öffnen für Fremdes und Fremde. Das beschämende Gezerre um zweisprachige Ortstafeln in Kärnten scheint endlich überwunden zu sein, aber eine fremdenfeindliche Haltung lugt dennoch immer wieder hervor und nicht selten entzündet sich der Konflikt an der Sprache. Ich kann das nicht verstehen und auch nur schwer nachvollziehen.

Ich wohne im 15. Wiener Gemeindebezirk mit einem relativ hohen Anteil an Menschen mit nicht deutscher Muttersprache. In Bankfilialen hängen Plakate, die darauf hinweisen, dass dort auch serbisch und kroatisch gesprochen wird. Die Aufschrift auf zahlreichen Läden, die das Straßenbild prägen, ist auf Türkisch. Und auf österreichischen Lebensmitteln finden sich Etiketten in türkischer und arabischer Sprache.

In meiner Gemeinde feiern Menschen Gottesdienste in koreanisch und gelegentlich auch in tschechisch. Viele Gemeindeglieder haben ungarische, tschechische und slowakische Wurzeln. Als Christ habe ich zwar eine Muttersprache, aber Gott spricht nicht ausschließlich deutsch. Jesus hat nicht deutsch gesprochen, sondern aramäisch. Auch die ersten Christinnen und Christen waren des Deutschen nicht mächtig, Paulus, der Völkerapostel, ist an der Schnittstelle mehrerer Kulturen aufgewachsen und hat in Griechisch gelehrt, gepredigt und missioniert. Es ist schön, in einer Sprache so zu Hause zu sein, dass man alles, was man möchte, auch ausdrücken kann, in all den Schattierungen und Nuancen.

Das Christentum hat sich entwickelt in den Regionen, auf die Menschen im heute christlichen Europa manchmal verächtlich herabschauen, in der heutigen Türkei und in Nordafrika.

Sprachen sind ein Schatz, und Lernen von Sprache sollte man fördern, ganz besonders sollten Migranten und Migrantinnen ihre Muttersprache nicht verlernen sondern pflegen. Traurig, dass Türkisch bis heute kein Maturafach ist. In einer Welt, die immer stärker zusammenwächst, würde es auch Österreichern nützen, Sprachen der Nachbarländer zu lernen wie tschechisch, slowakisch, slowenisch, ungarisch oder - warum nicht auch türkisch. Kollegen von mir lernen türkisch, damit sie sich besser verständigen können mit ihren Nachbarn, auch im interreligiösen Dialog mit Muslimen. Und das ist keine Verleugnung und kein Verrat an der eigenen Herkunft, sondern eine Bereicherung und Erweiterung des eigenen Horizonts.

An der Gestaltung der Politik sollen alle Menschen teilhaben können, die im Land ihren Lebensmittelpunkt haben, unabhängig von Muttersprache und Herkunft.

Christinnen und Christen könnten mit ihrer universalen Sichtweise zu einem offeneren Klima im Land einen wichtigen Beitrag leisten. Denn sie beten einen Gott an, der in der Sprache der Liebe spricht und sie erzählen eine Botschaft, die für die ganze bewohnte Erde bestimmt ist. Sie steht in der Bibel. Und die wird mittlerweile in über 2500 Sprachen übersetzt.

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