Gedanken für den Tag

Von Michael Krassnitzer, Journalist. "Gedanken zum 200. Geburtstag von Giuseppe Verdi. Gestaltung: Alexandra Mantler

Ob und in welchem Maß Giuseppe Verdi gläubig war, darüber gehen die Ansichten auseinander. Aus den wenigen geistlichen Werken, die der große Opernkomponist im Alter schrieb, glauben so manche Musiker und Musikwissenschaftler eine tiefe Religiosität herauslesen zu können.

Verdis wohl bekannteste geistliche Komposition ist seine "Messa da Requiem", die ein gewaltiges Tableau vom Schrecken des Jüngsten Gerichts zeichnet - vergleichbar mit den schaurigen Darstellungen eines Hieronymus Bosch -, das Gläubige wie Nicht-Gläubige im Innersten zu erschüttern vermag.

Ist diese eindrucksvolle musikalische Darstellung nun Verdis Religiosität entsprungen, wie etwa Nikolaus Harnoncourt glaubt (um nur einen von vielen zu nennen)? Oder hat der Opernkomponist, der wie kaum ein anderer tiefe Gefühle in Musik verwandeln konnte, gewissermaßen nur seinen Job gemacht und einem vorgegebenen Stoff höchstmögliche Dramatik verliehen? Das Requiem wird ja oft ironisch als Verdis beste Oper bezeichnet.
Oder ist die "Messa da Requiem" gar eine unterschwellige Kritik am Bild des Menschen als armer, verdammter Sünder durch das Stilmittel der Überzeichnung? Schließlich lässt Verdi das Requiem nicht mit dem üblichen Schluss enden, in dem die Güte Gottes beschworen wird, sondern er gibt es dem Publikum noch einmal knüppeldick: Abermals wird ihm Gottes Zorn, Unheil und Elend verheißen.

So könnte es durchaus gewesen sein, schließlich war es Verdi als Künstler in den ersten Jahrzehnten seines Schaffens gewohnt, die Zensur zu überlisten. Das ist die höchste Kunst der Aufklärung: sich eines Mediums der Zielgruppe zu bedienen und subtil seine Botschaft einfließen zu lassen.

Verdis Requiem freilich bleibt eine Herausforderung: Es geht darin im wahrsten Sinn des Wortes um alles oder nichts: Himmel oder Hölle, Leben oder Tod. Alles, das ganze menschliche Leben, steht in diesem Schlussakt von immenser musikalischer Intensität auf dem Spiel. Das Leben des Menschen ist vom Nichts des Todes bedroht. Und doch bleibt das Nichts nicht die einzige Option - ihm gegenüber steht trotz allem die Hoffnung auf das "Alles" des Lebens.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Giuseppe Verdi/1813 - 1901
Titel: MESSA DA REQUIEM - Requiem für 4 Solostimmen, Chor u.Orchester, 1.Tl
* II. Dies irae : Lacrimosa / Soli und Chor (00:07:05)
Solist/Solistin: Leontyne Price /Sopran
Solist/Solistin: Rosalind Elias /Mezzosopran
Solist/Solistin: Jussi Björling /Tenor
Solist/Solistin: Giorgio Tozzi /Baß
Chor: Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien
Orchester: Wiener Philharmoniker
Leitung: Fritz Reiner
Länge: 02:00 min
Label: Decca 4216082

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